„Auch in Deutschland ist es möglich, profitabel zu arbeiten“

staufen magazine 2024 | No. 7 | Kiekert AG

Noch vor wenigen Jahren stand der Automobilzulieferer Kiekert – Technologieführer für Schließ- und Antriebssysteme – vor dem Aus. Im Interview erklärt der Vorstandsvorsitzende & CEO Jérôme Debreu, warum er statt einer Produktionsverlagerung ins Ausland den Turnaround im Hochlohnland Deutschland wählt.

Interview mit JÉRÔME DEBREU – Vorstandsvorsitzender & CEO, KIEKERT AG

Die Kiekert AG hat unter ihrem neuen Management einen beeindruckenden Turnaround geschafft. Ist dieser Leistungsschub auch darauf zurückzuführen, dass Kiekert wieder wie ein Familienunternehmen geführt wird?

Genau, ich bin selbst sehr familiengebunden, loyal und stabil und führe Kiekert wie ein Familienunternehmer. Dazu gehört auch: Wir denken und planen in Dekaden, statt in Quartalen. Ich habe einen unbefristeten Vertrag und genieße die volle unternehmerische Freiheit. Kaputt gemacht wurde das Unternehmen davor von amerikanischen Private-Equity Gesellschaften.

Sie verlagerten Teile der Produktion zurück ins Stammwerk nach Deutschland. Wie können klassische Industrieunternehmen in einem Hochlohnland wie Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben?

Es stimmt, die Leute halten mich für verrückt. Aber die Kosten sind nicht allein ausschlaggebend. Wir können nicht Weltmarktführer aus Deutschland sein und die eigene Zentrale schließen, nur um mehr Gewinn zu machen. Unsere Entwickler können nur dann innovativ sein, wenn sie ihre Ideen auch vor Ort umgesetzt sehen. Benchmark-Ingenieure brauchen eine Benchmark-Fabrik und umgekehrt. Dazu kommt: Es ist auch in Deutschland möglich, profitabel zu arbeiten. Noch vor wenigen Jahren war die Belegschaft unserer Zentrale in Heiligenhaus nicht voll ausgelastet. Wir sind deshalb in die Offensive gegangen und haben in neue, effizientere Produktionstechnik investiert. Jetzt planen wir, zwei weitere Produktionslinien aus dem Ausland nach Deutschland zurückzuverlegen. Statt Arbeitsplatzabbau sollen bis 2030 sogar 250 neue Arbeitsplätze entstehen. Ab 2028 wollen wir eine neue Zentrale bauen. Unsere Seele ist wieder da!

Jérôme Debreu – Vorstandsvorsitzender & CEO, Kiekert AG

Unsere Entwickler können nur dann innovativ sein, wenn sie ihre Ideen auch vor Ort umgesetzt sehen. Benchmark-Ingenieure brauchen eine Benchmark-Fabrik und umgekehrt.

JÉRÔME DEBREU
Vorstandsvorsitzender & CEO, KIEKERT AG

Wie wird sich die Produktion von Kiekert in den nächsten Jahren auf die Standorte verteilen? Welche langfristigen Wachstumspläne hat das
Unternehmen?


Um Kiekert zukunftssicher aufzustellen, müssen wir Menschen und Produkte dort entwickeln, wo die Kunden sind. Wir nennen das „Lokalisierung“ oder besser „Re-Lokalisierung“. So bauen wir im Unternehmen die Fähigkeit auf, zu antizipieren, also Trends und Marktentwicklungen international vorherzusehen und frühzeitig darauf zu reagieren. Das lernt man nicht, wenn man nur online mit Menschen spricht. Man muss vor Ort sein. Dementsprechend investieren wir aktuell auch in unsere internationale Präsenz. Wir haben einen Vertriebsstandort in Frankreich aufgemacht, gründen eine Tochtergesellschaft in Indien und werden ein Werk in Spanien eröffnen. Weitere Standorte werden folgen.

Welche positiven Erfahrungen hat Kiekert mit den jüngsten Veränderungen im tschechischen Werk gemacht? Ist dies ein wegweisendes Beispiel für andere Werke des Unternehmens?

Mit dem neuen Konzept für das Shopfloor Management haben wir Transparenz in den Fertigungsabläufen gewonnen, Silos aufgebrochen, unsere Prozesse verbessert und arbeiten nun deutlich effizienter zusammen (siehe S. 59). Die Overall Equipment Effectiveness (OEE), also die Effektivität der gesamten Anlage, hat sich nachweislich verbessert und wird noch weiter steigen, das ist ein großartiger Erfolg. Da unsere Werke international nicht komplett vergleichbar sind, können wir das Konzept für Tschechien nicht 1:1 übertragen, aber Teile davon werden wir sicherlich auch woanders nutzen.

Über Kiekert

Die Kiekert AG ist Weltmarktführer für automobile Schließsysteme und ein Traditionsunternehmen mit einer 167-jährigen Historie. Kiekert beliefert über hundert Automarken mit intelligenten Sicherheitsschließsystemen.

1857

Gründungsjahr

11

Standorte

5.000

Mitarbeitende

Kiekert in Tschechien

Eine HOCHEFFIZIENTE UND SCHLANKE FABRIK NACH LEAN-MASSSTÄBEN ALS ZIEL

Um das Kiekert-Werk im tschechischen Přelouč auf Kurs zu bringen, mussten alte Denkmuster und bestehende Silos aufgebrochen werden. Konzepte zur Stabilisierung und Effizienzsteigerung in den Bereichen Produktion, Logistik und Qualität führten zu einer deutlichen Steigerung der operativen KPIs und einer Verbesserung der finanziellen Situation.

Die Fokussierung auf Kernthemen und die Arbeit in crossfunktionalen Teams verbesserten zudem Transparenz und Prozesse. Darüber hinaus wurden Kommunikation und Zusammenarbeit durch den Aufbau eines kaskadierenden Shopfloor Management optimiert. Karl Lambertz, Werkleiter in Tschechien, ist von der Zusammenarbeit mit der Staufen AG überzeugt: „Es gab nicht das ‚eine‘ Problem, sondern wir hatten viele kleine und teilweise auch größere Baustellen. Dies konnten wir mit einem übergreifenden, ganzheitlichen Ansatz lösen.“

Karl Lambertz – Vice President Europe & Managing Director, Kiekert CS s.r.o.

Das PMO und die damit verbundenen wöchentlichen Projektreviews und monatlichen Steuerungskreise helfen, die vor-genommenen Änderungen zu bewerten und ihren Erfolg zu messen. Die Veränderungen sind auch in den Projekt-KPIs sowie im Shopfloor Management sichtbar. „Staufen hat vom ersten Tag an hands-on unterstützt. Die Berater haben schnell Vertrauen auf allen Unternehmensebenen – vom Shopfloor bis zum Top-Management – aufgebaut und durch ihr strukturiertes Vorgehen einen wichtigen Beitrag geleistet. Staufen hat eine positive Atmosphäre geschaffen und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Weg der Transformation befähigt“, lobt Karl Lambertz.

Der Weg hat sich gelohnt, die wichtigsten Hebel zur Ergebnisverbesserung haben bereits gegriffen. Dabei hat sich auch die Priorisierung der Themen nach ihrem Potenzialbeitrag bewährt, um Kräfte und Ressourcen bestmöglich und zielgerichtet einzusetzen. Laut Werkleiter Lambertz wird sich das fortsetzen: „Langfristig streben wir eine hocheffiziente und schlanke Fabrik nach Lean-Maßstäben an. Dies erfordert ein völlig neues Wertstromkonzept mit einem neuen Liniendesign. Dazu sind weitere Veränderungen notwendig. Konzeptideen für ein mögliches Zielbild wurden bereits mit Staufen diskutiert.“

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