
SBB: Weichenstellung Richtung Zukunft

Jeden Tag bringt die Schweizerische Bundesbahnen AG (SBB) mehr als 1,3 Millionen Menschen und 750.000 Tonnen Güter ans Ziel. Hinter dieser XXL-Logistik stehen nicht nur 35.000 Mitarbeitende, sondern auch Tausende Lieferanten. Um ihr Supply-Chain-Netzwerk künftig noch effizienter steuern zu können, hat die SBB ihre Warengruppen neu ausgerichtet und gemeinsam mit Staufen.Inova das Problem der Datenmigration gelöst. Eine wichtige Verbündete dabei: künstliche Intelligenz.
Staufen.Inova unterstützte die SBB zusammen mit dem Technologiepartner Shouldcosting bei der Einführung einer neuen Warengruppenstruktur. Mittels Machine Learning konnte ein Großteil der Artikel sehr effizient kategorisiert werden. Zur langfristigen Sicherung der Datenqualität wurde ein „Stay Clean“-Konzept entwickelt. Angepasste Prozesse, zielgerichtete Aufgaben sowie klar definierte Kompetenzen und Verantwortlichkeiten unterstützen die Einkäuferinnen und Einkäufer der SBB nachhaltig.
Gemeinschaftliche Leistung und digitale Expertise: Der Weg zur neuen Warengruppenstruktur
Als Simon Roth, Leiter des konzernweiten Einkaufs bei der SBB, an diesem Tag in der Berner SBB-Zentrale zurückblickt, klingt viel Stolz, aber auch etwas Demut in seinen Aussagen mit: „Wir sprechen hier zwar von einem Einkaufsprojekt, aber am Ende handelt es sich um eine gemeinschaftliche Unternehmensleistung, zu der neben dem Einkauf eben auch von der Compliance über die IT bis zum Engineering ganz viele Stellen ihren Beitrag geleistet haben. So etwas geht nur zusammen.“
Dafür, dass bei diesem Großprojekt zeitlich und budgetär alles im vorgesehenen Rahmen blieb, hat vor allem Dietmar Gessner, Leiter Kompetenzcenter Warengruppenmanagement bei der SBB, gesorgt. „Es beginnt schon damit, dass man bereits vor dem eigentlichen Projektstart alle Stakeholder an Bord holt.“
Der Projektstart liegt nun knapp zwei Jahre zurück. Damals spiegelte die alte Warengruppenstruktur den Markt und den aktuellen Bedarf nicht mehr richtig wider. Das erschwerte den Einkauf insgesamt und machte vor allem Bündelungseffekte nahezu unmöglich. Die Lösung: eine umfassende Neuausrichtung der Warengruppen mit dem Ziel, die Effizienz zu steigern, die Transparenz zu erhöhen und die Position gegenüber den Lieferanten zu stärken. Die Experten von Staufen.Inova unterstützten die Umstellung und konnten durch ihr methodisches und fachliches Know-how den manuellen Aufwand bei der Erfassung und Bearbeitung der Einkaufsdaten auf ein Minimum reduzieren.
„Ein Projekt dieser Größenordnung ist auch für einen Berater etwas Besonderes“, sagt Sebastian Perez Pena, Project Manager bei Staufen.Inova. „Wir haben unsere umfangreiche Expertise aus digitalen Projekten gezielt eingesetzt. So konnten wir die fachübergreifende Arbeit mit der Integration neuer Technologien in klassische Einkaufsthemen effizient verzahnen. Das Ergebnis: Von der Entwicklung des ersten Vorgehenskonzepts über die Verarbeitung komplexer Datenmengen bis zur vollständigen Umstellung aller Datenobjekte in allen Systemen verlief jeder Schritt nach Plan.“


KI sorgt für Effizienz im großen Stil
Die Komplexität des Projekts ist beeindruckend: Rund 650.000 Artikel, 8.000 aktive Lieferantenverträge und 80.000 offene Bestellpositionen mussten in die neue Warengruppenstruktur der SBB überführt werden. Ohne Automatisierung wäre das zu aufwendig gewesen. „KI ist der Schlüssel, der die Schatztruhe der Unternehmensdaten öffnet und Wettbewerbsvorteile freisetzt.“ Davon ist Einkaufsleiter Roth überzeugt. Mit Staufen.Inova und dem Technologiepartner shouldcosting wurden entsprechende Anwendungen entwickelt, mit denen ein Großteil der Klassifizierung automatisiert werden konnte.
Das Tool verwendet Algorithmen und maschinelles Lernen (ML), um auf der Grundlage eines Scoring-Modells präzise Vorschläge für die Neuklassifizierung zu erstellen. Auf diese Weise konnten rund 85 Prozent der Artikel automatisch zugeordnet werden, während der Rest punktuell manuell nachbearbeitet werden musste. Diese intelligente Kombination von Automatisierung und menschlicher Kontrolle gewährleistet eine hohe Datenqualität.
Damit die Maßnahmen nachhaltig wirken, hat der Konzern zudem das Konzept „Stay Clean“ eingeführt. SBB-Experte Gessner: „Beim bisherigen Warengruppenmanagement haben wir nach dem Delegationsprinzip gearbeitet, wodurch Informationen im Beschaffungsprozess ungenau wurden. Die strikte Einhaltung der neuen Warengruppenklassifikation soll nun zu einer sauberen Datenqualität führen.“
Dazu wurden neue Prozesse und klare Verantwortlichkeiten etabliert, die eine korrekte und aktuelle Pflege der Warengruppen sicherstellen. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beschaffungsabteilungen umfassend auf die Anforderungen der neuen Struktur vorzubereiten, wurden über 25 Schulungen durchgeführt.

© SBB CFF FFS

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KPI-Reporting als Grundlage für die Einkaufsstrategie
Darüber hinaus führt die SBB ein neues KPI-Reporting-System im Warengruppenmanagement ein, das neben Fortschrittskennzahlen im Reifegrad auch Faktoren wie Vertragsbindung oder Zuordnung der Geschäfte berücksichtigt. Ziel ist es, neben quantitativ messbaren Größen auch qualitative Bewertungen – zum Beispiel zum Thema Lieferantenqualifizierungen – in die Scorecard zu integrieren. Dies soll dazu dienen, mehr Transparenz über den gesamten Beschaffungsmarkt zu erhalten, die Verantwortung für die Warengruppen besser zu verteilen und strategischer agieren zu können.
Mit dem neuen KPI-System erhalten die rund 70 Category Manager der SBB pro Quartal einen detaillierten Überblick. So können Optimierungshebel und Verbesserungspotenziale erkannt und Entscheidungen faktenbasiert getroffen werden. Letztlich strebt die SBB eine stärkere Bündelung der Einkaufsvolumina und eine bessere Steuerung der Lieferantenmärkte an. Die neu gewonnene Transparenz durch das KPI-Reporting hilft zudem, die korrekte Zuordnung und Abwicklung von Waren und Dienstleistungen in den angebundenen Systemen wie z. B. SAP Ariba sicherzustellen.
Neben der erfolgreichen Implementierung der KI-gestützten Beschaffungsprozesse nutzen die Mitarbeitenden der SBB – nicht nur im Einkauf – längst eine Art „SBB-ChatGPT“, also eine isolierte KI-Anwendung, in der auch sensible Inhalte hochgeladen werden können. Die KI wird im Tagesgeschäft genutzt, um Texte zu generieren, zusammenzufassen oder zu korrigieren. „Das ist schon heute Alltag bei uns“, so Simon Roth.
Über die SBB
Getreu ihrem Motto „Weil Verbindungen die Schweiz ausmachen“ transportiert die SBB täglich gut 1,32 Millionen Reisende und 175.000 Tonnen Güter. Die 35.000 Mitarbeitenden sorgen dafür, dass täglich mehr als 11.400 Züge ihr Ziel pünktlich erreichen. Das Einkaufsvolumen der SBB betrug zuletzt über 5,8 Milliarden Schweizer Franken.
Mit Large Language Models Angebote vergleichen und Verträge analysieren

© SBB CFF FFS
Künftig ist der Einsatz von Large Language Models (LLM) für die Unterstützung des Einkaufs beim Angebotsvergleich oder bei der Vertragsanalyse geplant. Chatbots sollen die Bedarfsträgerinnen und Bedarfsträger künftig durch die Beschaffungsprozesse leiten, damit diese effizienter abgewickelt werden können. In der Vergangenheit führten Unsicherheiten bei der Warengruppenzuordnung – immerhin gibt es 515 Möglichkeiten – zu Verzögerungen. Dietmar Gessner: „Machine Learning und KI sind keine Nischenthemen mehr, sondern können in jedem Bereich eines Unternehmens messbare Effizienz- und Effektivitätsvorteile erzielen.“
Die Kombination aus modernster Technologie, klaren Prozessen und unternehmensweiter Zusammenarbeit macht die SBB im Warengruppenmanagement fit für die Zukunft. Das Projekt zeigt, wie die Digitalisierung Potenziale freisetzt und eine Blaupause bietet, mit der sich die gesamte Organisation nachhaltig optimieren lässt.
Immer den Nutzen für das Gesamtunternehmen im Blick
Bei einem Projekt dieser Größenordnung wird aber auch deutlich, wie wichtig eine koordinierte Abstimmung und eine klare Struktur der Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind. In diesem Fall wurden in 57 Kommunikationsveranstaltungen alle relevanten Stakeholder eingebunden und informiert, um eine intensive Zusammenarbeit, Kommunikation und Veränderungsbereitschaft sicherzustellen.
Für Jürg Hodel, Geschäftsführer von Staufen.Inova, waren die hohe Veränderungsbereitschaft und der gemeinsame Gestaltungswille ausschlaggebend: „Der positive Geist trug durch die frühe, enge Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen durch das gesamte Projekt. Zudem verfügt die SBB über eine beeindruckende Unternehmenskultur, die offen für Neues ist.“

Auch Konzern-Einkaufsleiter Roth zieht eine positive Bilanz: „Wir verfolgen den Ansatz ‚One SBB‘. Ziel ist es, näher zusammenzurücken und die SBB als Ganzes im Auge zu behalten, auch wenn es teilweise einige Zeit dauern wird. Unser Projekt unterstreicht, dass wir hier gut aufgestellt sind. Wir können die Zusammenarbeit so ausrichten, dass am Ende immer der Nutzen für das Gesamtunternehmen steht und nicht Einzelinteressen in den Vordergrund drängen. Auch im Hinblick auf neue Technologien zeigt dieses Projekt beispielhaft, wohin die Reise geht: Wir jagen keinen Trends hinterher, sondern steigen nur dort ein, wo wir einen Bedarf sehen und einen klaren Nutzen erkennen.“


Jürg Hodel


Sebastian Perez Pena
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