
Eine Diskussion mit Alexander Rieck, Gründer, LAVA Stuttgart und Robert Farthmann, Partner, Staufen AG. Die Fragen stellte Andreas Pfetsch, Geschäftsführer, ap35 gmbh.
Muss man heute Städte nach einem großen digitalen Masterplan entwickeln, um sie effizienter, vernetzter und nachhaltiger zu machen?
Rieck: Die Smart City ist das, was uns heute bei der Stadtplanung am meisten beschäftigt. Die Stadt ist die Plattform unserer Gesellschaft, auf der sich heute alles bewegt und die sich ständig weiterentwickelt. Dort werden die modernsten Technologien aus den Bereichen Energie, Mobilität, Verwaltung und Kommunikation miteinander vernetzt. Auch, um zukünftig mit Ressourcen schonender umzugehen. Es gibt allerdings noch keinen Masterplan, wie man Architektur städtebaulich an die neuen Herausforderungen intelligent anpassen könnte, vor allem, weil bei uns der Großteil der Stadt ja bereits gebaut ist.
Farthmann: Der Begriff Masterplan assoziiert, dass irgendjemand weiß, wie das Ergebnis genau auszusehen hat. Große Bauprojekte sind allerdings von zunehmender Komplexität gekennzeichnet. Unser Job ist es, die Realitäten in den Griff zu bekommen. Zum Beispiel schlanke Prozesse abzusichern und für mehr ganzheitliche Ergebnisorientierung zu sorgen. Schon dafür braucht es neue Denkweisen, mehr Teamgeist und mehr Führungsleistung.
Sowohl das Architekturbüro LAVA wie auch die Staufen AG haben Projekte in Riad. Was sind Ihre Erfahrungen in einer der größten Städte Saudi-Arabiens?
Rieck: In Saudi-Arabien haben wir viel größere Freiheiten. Die Gesellschaft ist jünger und schon deshalb digitalen Prozessen und Technologien gegenüber deutlich aufgeschlossener. Sie begreifen Fortschritt als Chance. Man triff t dort in den Projekten auf neugierige und extrem motivierte Menschen. Dies macht es uns als Planer leichter, mit Ideen zu kommen, die ganze Prozessketten verändern.
Herr Farthmann, wie sind Ihre Erfahrungen vor Ort, im Zentrum einer Großbaustelle?
Farthmann: Die neue U-Bahn in Riad ist eines der größten Infrastrukturprojekte weltweit. Allein in der Projektorganisation arbeiten mehr als 350 Projektleiter. Und wir, die Berater, verbessern die Koordination der Zusammenarbeit. Auch, indem wir die Führungskräfte in ihrer Führungsleistung verbessern.
Herr Rieck, kann man mit einem gezielten Frontloading-Prozess zu Beginn der Planungsphase für mehr Transparenz im Projektablauf sorgen?
Rieck: Wir versuchen, sehr frühzeitig auch die Fertigung mit zu berücksichtigen. Sprich, mögliche Hersteller und Herstellungsverfahren bereits in der Planung einzubeziehen. Für eine wirklichkeitsnahe Animation gestalterischer wie auch technischer Szenarien setzten wir, auch mithilfe des Fraunhofer-Instituts, die neuesten Technologien wie zum Beispiel Virtual Reality ein.
Bekommt man mit Lean Management Großbaustellen besser in den Griff?
Farthmann: Auf großen Baustellen treten bereits zum Projektstart Probleme auf. Und die werden im Verlauf größer und größer. Es fehlen ganz einfach robuste Methoden, um eine geordnete und zielorientierte Zusammenarbeit zu gewährleisten. Wir verbessern mit unseren Prozessen die Kommunikation unter allen Beteiligten. Außerdem coachen und trainieren wir Führungskräfte auf der Planungs- und Ausführungsebene.
Die Bauwirtschaft boomt. Dennoch gibt es nicht ausreichend bezahlbaren Wohnraum. Was muss passieren, dass bedarfsgerechter, schneller und kostengünstiger gebaut werden kann?
Rieck: Im Wohnungsbau benötigt man einen anderen Denkansatz. Würde das eigentliche Endprodukt im Vordergrund stehen, also bestmögliche Qualität zum bestmöglichen Preis, dann wären wir vermutlich schon längst von einem handwerksorientierten, zersplitterten Koordinations- und Bearbeitungsprozess zu einem teilautomatisierten Fertigungsprozess gekommen. In anderen Industriezweigen ist das die Normalität.
Was kann die Bauwirtschaft von anderen Industrien lernen?
Rieck: Die Industrie hat in allen Funktionsbereichen exzellente Leute sitzen. Die haben ihr Wissen gebündelt und den Prozess von der ersten Skizze bis zum finalen Produkt kontinuierlich verbessert. Immer den Kunden und seine Bedürfnisse vor Augen. Die Bauwirtschaft muss sich dringend transformieren und sich mit anderen Industrien vernetzten. Würde unsere Bauwirtschaft zum Beispiel mit dem deutschen Maschinenbau enger zusammenarbeiten, dann würden wir sehr schnell eine ganz neue Baukultur erleben. Wir müssen hier endlich weg vom Bauschaum und hin zum Spaltmaß kommen.
Farthmann: Der Maschinenbauer lernt vom Automobilbauer, der vom Flugzeugbauer und der wieder vom Maschinenbauer. Alle wollen voneinander lernen. Weil sie es müssen. Der internationale Wettbewerb ist gnadenlos und der Innovationsdruck extrem. In anderen Branchen muss man also auf gut deutsch pfiffiger sein, agiler und wandlungsfähiger. Es gibt viel zu tun, auch für Berater wie uns.