Austausch zwischen Dr. Eberhard Veit und Prof. Hao Wang
Bei NEXCON, dem virtuellen Kongress der Staufen Digital Neonex, mit dem diesjährigen Fokus „Industrie 4.0 meets Made in China 2025“ kam es zum Austausch zwischen Dr. Eberhard Veit und Prof. Hao Wang.
Industriepolitik mit riesigen Investitionen
Der Abbau des China-Bonus war schon länger absehbar. Die chinesische Regierung hat deshalb eine an Industrie 4.0 orientierte Initiative mit dem sprechenden Titel „Made in China 2025“ gestartet. Sie soll das Land bis 2049 – zum 100. Geburtstag der Volksrepublik – zur größten Industrienation der Welt machen. Ergänzend zur Industriestrategie hat sie die KI-Strategie „New Generation Artificial Intelligence Development Plan (AIDP)“ formuliert. Enorme Investitionen sollen auch hier zur Pole Position im Weltmarkt führen. Das ist in einigen Bereichen bereits gelungen. So ist SenseTime weltweit führend bei der KI-Gesichtserkennung. Insgesamt geht es um Schlüsselindustrien wie Informationstechnologie, Elektromobilität, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrttechnik, Materialwissenschaft und Biomedizin. Kern der aktuellen Initiative sind fünf Großprojekte, die die wichtigen Säulen der chinesischen Industrieproduktion erfassen: Smart Manufacturing, industrielle Infrastruktur, ökologische Herstellung, Highend-Technologie und neue Innovationssysteme.
Deutschland und China ergänzen sich
„Wir müssen vor allem die Produktionsqualität unserer Industrie erhöhen“, sagte Maschinenbau-professor Hao Wang von der Shanghai Jiao Tong University (SJTU) jüngst auf dem virtuellen Smart-Manufacturing-Kongress NEXCON von Staufen Digital Neonex. Für die Verwirklichung ihrer Strategie setzen die chinesischen Unternehmen auf Kooperationen mit Deutschland. „Die globalen Initiativen für die Industrie 4.0 sind eine historische Chance für die deutsche Wirtschaft, mit China zu kooperieren“, betonte Professor Wang. „Deutschland ist bekannt für die hohe Qualität seiner Industrieproduktion, China für die Geschwindigkeit seiner Entwicklung.“
„In China gibt es nur wenige industrielle Traditionen. Innovationen können deshalb leichter eingeführt und ganz nach Wunsch umgesetzt werden“, sagte Dr. Eberhard Veit ebenfalls auf dem NEXCON-Kongress. Der ehemalige Festo-CEO und jetzige Industrie- 4.0-Berater findet: „In deutschen Unternehmen gibt es zu viele formelle Prozesse. Wir haben eine Hardware-Kultur: Wenn wir etwas ausliefern, dann muss es auch perfekt sein.“
Veit unterscheidet davon die agile Software-Kultur aus dem Silicon Valley: „Agilität bedeutet bei Software schrittweise Verbesserung der Anwendungen und schnelle Releases, die rasch aufeinanderfolgen.“ Das sei deutschen Unternehmen eher fremd. Sie hätten in der Vergangenheit nicht genug in die Software-Zukunft investiert. „Die deutschen Unternehmen benötigen Ambidextrie, also Zweigleisigkeit“, betont der Industrie-4.0-Experte. „Sie müssen die alten Linien erhalten, aber trotzdem neue aufbauen.“
Partner bei der Produktentwicklung
Eine große Chance dafür ist die Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen. China ist aber nicht nur ein großer Absatzmarkt. Seine starke Innovationsorientierung erlaubt es, entweder speziell auf China abgestimmte oder weltmarktfähige Produkte gemeinsam mit chinesischen Unternehmen zu entwickeln. Drittens können deutsche Unternehmen hier Produkte für den Weltmarkt testen, verbessern und zur Marktreife bringen.
Ein Beispiel stammt aus dem Automobilbau. So testet Mercedes seine selbstfahrenden Autos nicht in Sindelfingen, sondern in Shenzhen. Der Autohersteller ist nicht allein. Beispielsweise haben sich in Shanghai rund um die SJTU und die Maschinenbaufakultät von Professor Wang zahlreiche Niederlassungen deutscher Technologieunternehmen gebildet.
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigen deutlich, dass China in einigen Segmenten bereits aufgeholt hat. In der Digitalwirtschaft und bei Digitaltechnologien agiert das Land auf Augenhöhe, ebenso in der Plattform-Ökonomie, die vom großen Binnenmarkt profitiert. Kurz: Mit China ist zu rechnen, es ist ein ernsthafter Konkurrent, mit dem die deutsche Wirtschaft wohl besser kooperieren sollte. Anderenfalls könnte sie in chinesischer Rekordgeschwindigkeit zurückfallen.