Interview mit Katja Berghahn
Katja Berghahn arbeitet als Global Lean Manufacturing Manager bei Kiekert, dem Technologieführer bei Schließsystemen für Automobile. Die 36-jährige Wirtschaftsingenieurin verantwortet dort die Umsetzung und Weiterentwicklung von Lean Management. Sie führt ein Team von sieben Mitarbeitern weltweit.
Die Kiekert AG ist globaler Markt- und Technologieführer bei Schließsystemen für Automobile. Das Unternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Heiligenhaus beschäftigt weltweit 6.500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und gehört zum chinesischen Lingyun-Konzern.
Ich will keine Lean Heldin sein, sondern ein Coach, der die Menschen für Lean begeistert.
Wenn Sie über das Thema Lean sprechen, leuchten Ihre Augen. Dahinter scheint mehr zu stehen als nur Spaß am Job in einem erfolgreichen Unternehmen.
Ja, das ist auch so. Ob im Business oder im Privatleben – mich interessiert immer die Frage: „Wie kann ich etwas effizienter gestalten, sodass ich mehr Zeit für die wesentlichen Dinge habe?“ Die Faszination für Lean kam bei mir nicht erst mit dem Start ins Berufs-leben, sondern schon während meines Studiums. Ich habe damals in einer Unternehmensberatung gejobbt und die Grundlagen von Lean kennengelernt. Der Spruch „Das Auge steuert die Fabrik“ hat sich damals bei mir eingebrannt und begleitet mich bis heute ständig. Denn letztendlich gilt er nicht nur für klassische Produktionsabläufe, sondern lässt sich auf jegliche Formen von Prozessen übertragen. Was wir sichtbar machen, können wir messen und somit Verschwendung an der richtigen Stelle vermeiden.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag bei Kiekert aus?
Als Erstes halte ich morgens Rücksprache mit den Lean Kollegen der chinesischen Werke, denn aufgrund des Zeitunterschieds neigt sich deren Arbeitstag dann bereits dem Ende zu. Da geht es um ganz konkrete Fragestellungen, beispielsweise wie wir das Lean Know-how in bestimmten Bereichen ausbauen können. Der Vormittag gilt im Normalfall strategischen Themen wie der Weiterentwicklung interner Abläufe und Prozesse oder wie wir Lean Methoden an die Bedürfnisse von Kiekert anpassen können. Außerdem habe ich hier Zeit, mit meinen Kollegen in der Zentrale in Heiligenhaus gemeinsame Projekte und Workshops abzustimmen. Ab dem Nachmittag stehe ich dann mit den europäischen und amerikanischen Kollegen in Kontakt, um auch hier Unterstützung zu geben.
Das klingt nach ganz viel Austausch – mit Menschen über den Globus verteilt …
In der Tat. Mein Hauptjob besteht darin, zu kommunizieren. Mir sind die Teamarbeit und der kulturelle Austausch zwischen unseren Standorten in Mexiko, USA, China, Tschechien, Russland und Deutschland sehr wichtig. Wöchentlich gibt es Audio-Konferenzen mit den Werken.
Zum einen in klassischen, persönlichen Einzelgesprächen und zum anderen als globale Teamkonferenzen.
Ich bin auch häufig vor Ort in den Werken, um die Fortschritte bei Lean mitzuverfolgen oder für gemeinsame Workshops. Im Schnitt besuche ich die großen Werke in Mexiko, China und Tschechien alle zwei Monate. Zudem treffen wir uns jährlich zu einem globalen Lean Meeting, um die gemeinsame Ausrichtung festzulegen. Daran nehmen alle Werke teil.
Wie werden Sie denn im Konzern gesehen – als die globale „Lean Heldin“?
Ich will keine Lean Heldin sein, sondern ein Coach, der die Menschen für Lean begeistert. Das ist meine Rolle und das macht mir unglaublich viel Spaß, besonders wenn ich sehe, wie sie beginnen, sich selbst und ihre Prozesse zu optimieren.
Ist denn Ihre Arbeit als Lean Coach nicht irgendwann mal beendet, wenn die Prozesse schlank sind und perfekt laufen?
Nein, gerade jetzt bietet uns die Industrie 4.0 doch viele neue Möglichkeiten, Lean weiterzuentwickeln. Entsprechend ist Weiterbildung auch für mich und mein Team ein wichtiger Pfeiler für eine erfolgreiche Lean Umsetzung.
So habe ich mich beispielsweise kürzlich auf einem Seminar darüber informiert, wie das klassische Wertstrommanagement mit Industrie 4.0 verbunden werden kann. In unserem mexikanischen Werk machen wir nun damit unsere ersten Gehversuche. Für mich und das gesamte Team war es überraschend, welche Potenziale sich noch heben lassen. Dies zeigt bereits ein kleines Beispiel: Industrie 4.0 ist die Basis für die Weiterentwicklung von Lean. Beides zusammen bietet uns immense Chancen, im immer stärker werdenden Wettbewerb unsere Position auszubauen.