Die Volumensteigerung macht eine Neuplanung des Getriebewerks von AGCO Fendt erforderlich.
Fendt war der erste Traktorenhersteller weltweit, der ein stufenloses Variogetriebe verbaute – vor mehr als 20 Jahren eine echte Innovation in der Landtechnik. Der Traktor konnte nun ohne Schaltvorgänge, Ruckler und Zugunterbrechungen fahren – egal in welchem Tempo, egal ob bergauf oder bergab. Die Weiterentwicklung dieser Erfindung mündet heute in den Fendt VarioDrive, ein variabler Allradantrieb, produziert in Marktoberdorf.
Am deutschen Stammsitz im Allgäu bündelt AGCO Fendt sämtliche Kompetenzen – ein echter Standortvorteil. Alle Unternehmensbereiche arbeiten zusammen an gemeinsamen Zielen. Entwicklung, Produktion, Marketing und Vertrieb sind eng miteinander verzahnt.
Im Rahmen einer Umstrukturierung und Produktionserweiterung unterstützt die Staufen AG seit Herbst 2017 mit einer Neuplanung des Getriebewerks von AGCO Fendt. Das Ziel: die Abläufe in der Fertigung neu zu ordnen, die Fertigungsmaschinen effektiver zu nutzen, um so Kosteneinsparungen zu realisieren. Das Getriebewerk von AGCO Fendt soll künftig nicht nur fertige Bauteile für die Endmontage der Traktoren vor Ort liefern, sondern auch Getriebeteile für andere Marken des Konzerns produzieren. Dies verspricht zusätzliches Wachstum und stellt besondere Anforderungen an die Neuplanung der Fertigungsprozesse.
„Wir wollten Prozesse so optimieren, dass sie perfekt miteinander harmonieren und die drei Segmente synchron zueinander produzieren können. Die Herausforderung war hierbei, möglichst effizient mit dem vorhandenen Platz umzugehen und dabei den Fluss der Wertströme zu erhalten“ erläutert Tobias Loher, Manager AGCO Production System.
So tickt die Fendt-Fabrik
Die Getriebefertigung ist in drei Segmente unterteilt: die Gehäusefertigung, die Zahnrad- und Wellenfertigung und die Getriebemontage. Am Beginn der Neuausrichtung steht eine detaillierte Analyse. Wie funktioniert der Fertigungsprozess im Ganzen? Welche Einzelschritte sind notwendig? Das sind Fragen, die es zunächst zu beantworten gilt. Sie bilden die Basis für die Fabrikplanung.
Neben der Auswertung von Prozess- und Rüstzeiten, der Anlagennutzung sowie der Durchlaufzeiten liegt das Hauptaugenmerk auf der Analyse der Wertströme. Hauptwertströme werden identifiziert und neu sortiert. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Erweiterung der Getriebefertigung für andere Marken die Fertigung neuer – und teilweise größerer – Bauteile ermöglichen soll. Dies betrifft insbesondere die Zahnradfertigung.
Segmentierung durch Fertigungsinseln
Grundlage für die Planung des Maschineneinsatzes im Fertigungsprozess ist das Erstellen einer Produkt-Maschinen-Matrix. Darin sind die Fertigungsschritte jedes im Getriebewerk produzierten Einzelteils sowie die dazugehörende Anlagenkapazität festgehalten. In einer weiteren Konzeptionsphase geht es um die Anordnung der Maschinen, die nun nicht mehr nach Technologien, sondern entsprechend dem Wertstrom-prinzip aufgestellt werden. Es entstehen kleine Fertigungsinseln, eine Segmentierung nach Teile-Familien. Dabei ist es wichtig, eine effektive Auslastung der Maschinen zu erreichen und so die Segmente kostenoptimal zu betreiben.
Stand der Dinge nach der ersten Projektphase: Die Analyse der Wertströme ist abgeschlossen. Bekannt ist, welche Maschinen zu Fertigungsinseln zusammengefasst werden können. Zu berücksichtigen sind zudem unveränderbare Fixpunkte, die die Planung einschränken, wie die Hallengröße oder die Härterei in der Zahnradfertigung. Grundlagen, die für das Ziel, die Fabrik entlang der Wertströme neu aufzustellen, entscheidend sind.
Von der „Ideal-Fabrik“ zur „Real-Fabrik“
Die nachfolgende Layout-Planung hat das Ziel, die Fertigungsschritte möglichst innerhalb der bereits vorhandenen Gebäude abzubilden. Ein Neubau ist nicht geplant. So müssen aus Platzgründen Bauteile, die nicht zu den sogenannten Kernkompetenz-Teilen gehören, künftig extern gefertigt werden. Die Kernkompetenz-Teile, werden weiterhin in den Hallen von Fendt produziert.
Eingebunden in den Planungsprozess sind auf Kundenseite die drei Segmentleiter des Getriebe-werkes. Sie verantworten die jeweilige Teilplanung und werden dabei von ihrem Planungsstab sowie den Meistern unterstützt.
Karl-Heinz Welz ist als Werkleiter der Getriebefabrik in die Neuplanungen involviert und stimmt sich regelmäßig mit seinen Projektleitern ab. Durch seine langjährige Erfahrung kann er ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen und neue Impulse setzen. Während seiner über 40-jährigen Karriere bei AGCO Fendt gab es viele herausfordernde und spannende Projekte. Eine komplette Werkstrukturplanung im Getriebewerk ist allerdings schon etwas ganz Besonderes, so etwas erlebt man auch in so vielen Berufsjahren nicht alle Tage. Und mit seiner Motivation und Leidenschaft wird es sicher nicht das letzte Projekt bei AGCO Fendt sein.
Die Staufen AG begleitet das Projekt mit vier Experten. In enger Teamarbeit wird die Layout-Erstellung in zwei Schritten realisiert. In einem ersten Schritt erarbeitet das Team eine „Ideal-Fabrik“. Das heißt, es gibt es keine Restriktionen, wie die Hallenform oder Fix-punkte, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Im zweiten Schritt wird eine „Real-Fabrik“ konzipiert. Die Planung fokussiert sich darauf, die Wertströme sinnvoll in die bestehenden Gegebenheiten zu integrieren. Feste Größen, wie die Hallenform oder Fixpunkte werden hier einbezogen.
Per Hand zur neuen Struktur
Die Entwicklung des Blocklayouts geschieht manuell. Mithilfe von farbigen Pappkartons und Schere werden per Hand Maschinenblöcke ausgeschnitten und mit Stecknadeln auf dem Layout verteilt. Wichtig ist es, die Mitarbeiter von Fendt mit all ihrer Erfahrung in den Prozess einzubeziehen. Dieser kreative Teil ist für die konzeptionelle Teamarbeit äußerst wertvoll. Darauf aufbauend entsteht dann das CAD-Layout.
Ekkehart Gläser, Geschäftsführer Produktion und Qualität, ist bei Halbzeit des Projekts sehr zufrieden: „Das strukturierte Vorgehen bei der Analyse der Fertigungsprozesse ermöglichte dem Projektteam eine eindeutige Definition der zukünftigen Wertströme. Für die Neuausrichtung ist es uns als Kleinserienhersteller mit großer Variantenvielfalt sehr wichtig, die richtige Balance zwischen Kosteneffizienz und Flexibilität zu erlangen. Hierbei hat die Staufen AG gemeinsam mit unseren Mitarbeitern den richtigen Weg aufgezeigt.“
Bis 2022 soll die Getriebeproduktion in ihrer Neuausrichtung realisiert sein.