An der Börse wird die Zukunft gehandelt, aber in de Start-Ups wird die Zukunft entwickelt – und die sieht gut aus. Um herauszufinden, wie die hier vorgestellten Weconomy-Gewinner den Produktionsablauf in der deutschen Industrie verändern werden, werfen wir einen Blick hinter die Werkstore eines fiktiven Unternehmens im jahr 2025. Mario L. arbeitet im Warenlager, zuständig für die Kommissionierung. In seinem an die Halle angrenzenden Büro steht – mehr aus sentimentalen Gründen denn aus Notwendigkeit – ein Hubwagen. Der erinnert ihn an die laute, schweißtreibende Zeit vor der Einführung des Digital Warehousing.
WECONOMY bringt innovative, technologieorientierte Startups und etablierte Unternehmen zusammen. Die Gründerinitiative bietet Zugang zu wertvollen Kontakten und viel Gelegenheit zum Austausch mit erfahrenen Fach- und Führungskräften.
Der Wettbewerb wird jährlich von der Wissensfabrik – Unternehmen
für Deutschland e. V. in Kooperation mit UnternehmerTUM, Europas führendem Zentrum für Innovation und Gründung, sowie dem Handelsblatt veranstaltet. Wir stellen Ihnen hier drei aktuelle Preisträger vor:
Die PipePredict GmbH warnt vor Rohrbrüchen. Dafür legt das Start-up aus Darmstadt einen digitalen Zwilling an, der Versorgungsnetze und deren Zustand mittels eingespeister Sensordaten digital abbildet.
Die LiGenium GmbH aus Chemnitz ist Hersteller von hölzernen Lastenträgern in der Logistik. Das Start-up erschließt dabei moderne Holzwerkstoffe für den Einsatz in der innerbetrieblichen Logistik.
Die BOTfriends GmbH ist spezialisiert auf Chat- und Voice Bots. Das Start-up aus Würzburg hat eine Plattform entwickelt, mit der ohne Programmierkenntnisse Chat- und Voice Bots erstellt, angepasst und gesteuert werden können.
LiGenium GmbH
„Der Werkstoff Holz ist sehr leicht und trotzdem stabil, man muss nur wissen, wie man damit umgeht. Für den Transport sensibler Güter eignen
sich hölzernen Lastenträger ideal, weil die Waren nicht elektrostatisch aufgeladen werden und die weiche Struktur des Holzes Stöße hervorragend abfedert. Im Unterschied zu anderen Leichtbaumaterialien wie Karbon ist Holz zudem nachhaltig. In der Produktion sparen wir gegenüber traditionellen Lagerlogistik-Herstellern bis zu 95 Prozent CO2 ein.“
DR. RONNY ECKARDT
Gründer LiGenium
ANGELA GRIMMER
Gründerin LiGenium
Angela Grimmer und Dr. Ronny Eckardt gründeten gemeinsam mit Dr. Sven Eichhorn und Christoph Alt LiGenium. Die Betriebswirtin und die drei Ingenieure haben sich an der Technischen Universität Chemnitz in einer Forschungsgruppe zum Thema Holz kennengelernt.
Im Zuge einer umfassenden Digitalisierung und Neuorganisation konnten
nämlich die vormals als „Zukunftsspinnereien“ verworfenen Ideen nun umgesetzt werden: das Erfassen und Bearbeiten von Echtzeit-Lagerbeständen, eine intelligente und prozessunterstützende Automatisierung, vorausschauende KI-Analysen und eine hilfreiche, Voice-Bot-basierte Interaktion mit dem Warenwirtschaftssystem. Das Ergebnis: mehr Effizienz, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Freude am Job.
Denn beim Umbau der alten Halle zog – quasi als angenehmer Nebeneffekt – gleich noch eine große Portion Wohlfühl-Atmosphäre
mit ein. Wo vorher tonnenschwere Stahlwagen mit ohrenbetäubendem Lärm durch die Halle rumpelten, gleiten jetzt die leichten, aus Holz gefertigten Transportwagen und -anhänger von LiGenium auf eigens gefertigten Rollenbahnen mit innovativem Stecksystem.
Ursprünglich wurden die Transportbehälter aus Holz gewählt, weil sie aufgrund ihres modularen Aufbaus mit der Flexibilität des neuen Warensystems mithalten und schnell auf neue Bedürfnisse angepasst werden können. Außerdem wirken die Holzbehälter nicht wie ein Faraday’scher Käfig, so wie die alten Stahlbehälter. Dies war bei der konzernweiten Umstellung auf Industrie 4.0 entscheidend, weil es die Nachverfolgung der mit RFID-Chips etikettierten Waren im Lager überhaupt erst ermöglichte.
PipePredict GmbH
Die Arbeit im Drei-Schicht-Betrieb bedingt einen reibungslosen Ablauf ohne Störungen. Beim Umbau der Halle konnte die Werksleitung allerdings keine Lösung auf der grünen Wiese realisieren, sondern musste sich an das schon 100 Jahre alte Backsteingemäuer anpassen. Gleichzeitig durfte die nebenan angesiedelte Produktion nicht gefährdet werden. Eine Herausforderung dabei: die gesicherte Versorgung mit Frischwasser für die Herstellungsprozesse und ein sicheres Ableiten der Abwässer in die hauseigene Kläranlage.
Das alte Rohrsystem galt vor dem Umbau als eine der größten Schwachstellen, weil aufgrund der baulichen Gegebenheiten die Rohrleitungen in unmittelbarer Nähe zu den von Mario L. kontrollierten Transportrollbahnen entlangführten. Immer wieder störten Leckagen des unter Druck stehenden Brauchwassersystems die Kommissionierung, außerdem wollte die Konzernleitung die Verschwendung des Wassers konsequent eindämmen. Das war einerseits aus wirtschaftlichen Gründen nicht länger hinnehmbar, andererseits war der Zustand auch aus Nachhaltigkeitsaspekten nicht tragbar. Das Unternehmen hatte sich schließlich zu einer an ESG-Richtlinien orientierten Produktion verpflichtet und unter anderem auch deshalb die Holz-Lagerlogistik eingeführt.
„In Deutschland versickern bis zu 10 Prozent des Frischwassers einfach aus dem Rohrleitungssystem in die Umwelt. Hier muss also etwas geschehen. Unsere Software hilft dabei, Rohrsysteme zu kontrollieren und Schäden zu identifizieren. Dafür bauen wir im ersten Schritt einen mit Sensordaten gespeisten digitalen Zwilling. Gibt es Auffälligkeiten, wird sofort Alarm geschlagen. Im nächsten Schritt arbeiten wir an Predictive Maintenance. Damit können wir Leckagen vorhersagen, bevor sie entstehen.“
CHRISTOPHER DÖRNER
Business Developmer bei PipePredict. Gemeinsam mit Valerie Fehst (Product Development) und Tri-Duc Nghiem (Product Engineering) gründete er das Unternehmen.
Um die Rohrproblematik ein für alle Mal zu lösen, hat das Unternehmen deshalb auf Prognosen von PipePredict umgestellt. Mit dem neuen Analysetool verlieren die häufig unzugänglich liegenden „tickenden Zeitbomben“ ihren Schrecken, weil das System mögliche Leckagen schon im Voraus erkennen kann. Das Stichwort Predictive Maintenance hatte Mario L. zuerst im Zusammenhang mit den neuen CNC-Maschinen in der Fertigungshalle gehört. Hier gab es jetzt aber eine Lösung, bei der ein altes, bestehendes System mittels künstlicher Intelligenz vorausschauend kontrolliert wird.
Die Daten, mit denen die KI gefüttert wird, stammen von verschiedenen Druck-, Einspeise- und Flusssensoren, die alle irgendwann in den vergangenen 20 Jahren mal eingebaut wurden. Früher fehlte aber eine intelligente Verknüpfung der Daten, weshalb ein eigenständiges Werksteam immer damit beschäftigt war, einzelne Daten zusammenzusuchen und manuelle Kontrollrunden zu drehen. Immer wieder musste die Produktion angehalten werden, um eine elektroakustische Ortung von möglichen Leckagen vorzunehmen.
Mit der vorausplanenden KI sind diese zeitraubenden Instandhaltungsmaßnahmen auf ein Minimum begrenzt, stattdessen gibt es eine 24 / 7-Überwachung in Echtzeit, die frühzeitig Probleme meldet. Wenn wirklich einmal ein Einsatz am Rohr nötig wird, muss nicht mehr lange gesucht werden. Meist kann die Software die kritische Stelle auf wenige Meter genau eingrenzen. Mario L. freut es, schließlich kann er wieder einmal pünktlich Feierabend machen und beruhigt nach Hause fahren – die Kommissionierung läuft störungsfrei weiter.
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