Über Industrie 4.0 wird viel geredet, doch für die meisten Unternehmen ist es noch ein langer Weg bis zur Smart Factory. In seinem Customer Center am Stammsitz Ditzingen gewährt der Werkzeugmaschinen- und Lasertechnik-Spezialist Trumpf einen Blick in die industrielle Zukunft. Im Interview erklärt Alexander Kunz, der das Customer Center leitet, was davon bei TRUMPF bereits Realität ist.
Herr Kunz, das TRUMPF-Customer-Center ist regelmäßige Anlaufstelle der BestPractice-Tour von Staufen. Was zeigt TRUMPF den Besucherinnen und Besuchern dort und womit erzielen Sie den größten Wow-Effekt?
Kunz: Unser Customer Center ist eine echte Smart Factory. Wir produzieren dort mit Maschinen für die Blechfertigung und bieten Besucherinnen und Besuchern so ein authentisches Erlebnis. Den Wow-Effekt erzeugt aber weniger das, was wir dort tun, sondern die Erkenntnis, wie wir es machen. Denn die Besucherinnen und Besucher erleben, dass eine Smart Factory unabhängig davon funktioniert, wie hoch der Materialfluss automatisiert ist, also wie viele Roboter man aufstellt. Vielmehr kommt es auf schlanke Prozesse und eine smarte Steuerung an.
Wie stellen Sie TRUMPF den Besucherinnen und Besuchern dort vor – noch als klassischen Maschinenbauer?
Kunz: Nein, denn das ist TRUMPF nicht mehr. Wir sind vielmehr ein modernes digitales Unternehmen, das sich mit prozessübergreifenden, ganzheitlichen Lösungen beschäftigt. In unserer Entwicklung sitzen mittlerweile mehr Mitarbeitende, die sich mit Software, Prozessen und digitalen Geschäftsmodellen beschäftigen, als solche, die noch an der klassischen Hardware dran sind. Wie wir uns gewandelt haben, sehen Besucherinnen und Besucher im Customer Center auch am Einsatz von Partnerprodukten, die bewusst nicht als TRUMPF-Produkte gebrandet werden.
Alexander Kunz
Head of Customer Center
TRUMPF Werkzeugmaschinen SE + Co. KG
In unserer Entwicklung sitzen mittlerweile mehr Mitarbeitende, die sich mit Software, Prozessen und digitalen Geschäftsmodellen beschäftigen, als solche, die noch an der klassischen Hardware dran sind.
Alexander Kunz
Head of Customer Center, TRUMPF Werkzeugmaschinen SE + Co. KG
Was ist für TRUMPF der zentrale Treiber, um digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln?
Kunz: Ganz klar die Kunden. Durch die Digitalisierung haben wir heute sehr viel mehr Transparenz über deren Bedarfe. Deshalb wollen wir ihnen über die reine Produktion hinaus Lösungen bieten, die ihnen helfen, ihr Business zu machen, und die vor allem verhindern, dass die Maschine stillsteht. Denn das ist immer das Teuerste.
Welche neuen Geschäftsmodelle hat TRUMPF in den vergangenen Jahren entwickelt?
Kunz: Zum Beispiel die Software „Oseon“, mit der Kunden ihren Fertigungs- und Materialfluss steuern können. Diese Software lässt sich in die Bereiche Lager, Logistik und Schnittstellen erweitern – bis hin zur kompletten Vernetzung des Unternehmens. Oder „Pay-per-part“, die Maschinennutzung als Service, bei der die Kunden nur für die gefertigten Teile bezahlen. TRUMPF übernimmt dabei remote die Produktionsplanung und -steuerung sowie die Maschinenprogrammierung und -wartung.
Neben der Digitalisierung steht Nachhaltigkeit bei vielen Unternehmen aktuell ganz oben auf der Agenda. Wie verbindet TRUMPF diese beiden Themen?
Kunz: Auf der diesjährigen Intech haben wir das neu gegründete Unternehmen „Scrap2Value“ vorgestellt, bei dem TRUMPF auch Gesellschafter ist. Hier haben wir uns vom Nachhaltigkeitsgedanken leiten lassen und eine Lösung für eine intelligentere Schrottverwertung entwickelt. Denn wird der Schrott richtig sortiert, kann er deutlich klimaneutraler aufbereitet werden, und das wiederum beeinflusst die Treibhausgasbilanz des Unternehmens. Durch die passende Sortierung können wir bis zu 40 Prozent des CO2-Footprints adressieren. Und durch die Koppelung mit „Oseon“ wird die Lösung nochmals smarter und gewinnt zusätzlich an Wert für den Kunden.
Obwohl sich viele Unternehmen intensiv mit der Digitalisierung auseinandersetzen, zeigt auch die jüngste Staufen-Studie, dass die Transformation vielerorts zäh verläuft. Was macht TRUMPF besser oder anders?
Kunz: Auch für uns war die Transformation sehr anstrengend und ist noch längst nicht abgeschlossen. Ich würde sagen, wenn Industrie 4.0 das Ziel ist, sind wir bereits bei 3.8 angekommen. Beim Change-Projekt hat uns die klare Verortung als Vorstandsressort geholfen. Herr Kammüller, unser Gesellschafter, hat die Rolle des CDO übernommen und die gesamte Veränderung vorangetrieben.
Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wo steht TRUMPF 2030? Und wo die Branche?
Kunz: Wir erwarten, dass der Trend zur Nachhaltigkeit zu einem Wachstum bei der Blechbearbeitung führt. Viele Bauteile werden heute noch immer „aus dem Vollen gefräst“. Vor dem Hintergrund von notwendigen Energieeinsparungen sowie des europäischen Green Deal und der damit einhergehenden CO2-Preise wird sich das nicht mehr für jede Applikation lohnen. Viele werden deshalb auf alternative Konstruktionsmethoden mit Blech setzen. Auch der Trend zur Vernetzung wird sich fortsetzen, und zwar nicht nur innerhalb der Fabrik, sondern auch zwischen kompletten Werken. Dadurch werden deutlich weniger Maschinen benötigt und die Auslastung steigt. Die Nachfrage nach Automatisierungslösungen wird aufgrund des Fachkräftemangels steigen. TRUMPF setzt deshalb auf individuelle Beratungslösungen und passgenaue Gesamtlösungen für seine Kunden.
Das Unternehmen
Die TRUMPF Gruppe gehört zu den weltweiten Markt- und Technologieführern bei Werkzeugmaschinen und Lasern für die industrielle Fertigung. Softwarelösungen sollen den Kunden den Weg in die Smart Factory ebnen. Das Unternehmen erzielte zuletzt mit rund 16.500 Mitarbeitenden einen Umsatz von mehr als 4,2 Milliarden Euro.
16.500
Beschäftigte
4,2
Milliarden € Umsatz
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