Die Lean Transformation im Headquarter der Transdev-Gruppe
Um in der Zentrale der Transdev-Gruppe südwestlich von Paris einen Kulturwandel in Richtung kontinuierlicher Verbesserung zu erzielen, machte die Staufen AG zunächst alle 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittels eines „Lean Game“ mit den Grundlagen von Lean Management vertraut. Zehn von ihnen wurden zu internen Lean Beratern ausgebildet, damit sie künftig mit vertieftem Methodenwissen ihren Kollegen mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Parallel wurden mit 80 Führungskräften Managementtrainings durchgeführt, um neben dem Know-how-Aufbau vor allem deren (Schlüssel-)Rollen im Kulturwandel zu klären. Die Basis für die Orientierung in der Lean Transformation waren dabei die Lean Prinzipien.
Neben den Schulungen und Trainings wurden sehr schnell erste Workshops zur Vermeidung von Verschwendung und Pilotprojekte zur Prozessverbesserung durchgeführt. Die Palette der aktuellen Lean Projekte reicht von der Fehlerreduzierung im Rechnungswesen über Shopfloor Management in der Personalabteilung bis zur Vereinfachung von Bestellprozessen im Einkauf sowie zur Verbesserung des Onboardings neuer Mitarbeiter. Auch die Prozesse im Top-Management – von der Terminplanung bis zur Strategieimplementierung – folgen jetzt den Lean Prinzipien. Bei der Umsetzung begleitete die Staufen AG das Management und die internen Berater als Coaches, mit dem Ziel der nachhaltigen Befähigung, die Lean Transformation aus eigener Kraft weiterzuführen.
Die Transdev-Vorstände Christian Schreyer (Strategie und Performance) und Clément de Villepin (Human Resources) erläutern im Interview, wie Lean Management die tägliche Arbeit in der Konzernzentrale verändert hat und welche Mitarbeiter sich besonders schwer damit tun, ihre Komfortzone zu verlassen.
Herr Schreyer, als langjähriger Deutschlandchef von Transdev haben Sie Lean Management mit nach Frankreich in die Zentrale gebracht. Mussten Sie bei Ihren Kollegen im Vorstand viel Überzeugungsarbeit leisten?
Schreyer: Natürlich haben wir ausführlich darüber diskutiert, aber am Ende waren wir uns alle einig, dass wir ein Unternehmen sein möchten, das erstens seinen Mitarbeitern vertraut und zweitens jedem einzelnen auch eine
Menge zutraut. Aus meiner Sicht ist Lean da genau die richtige Antwort, um einem Unternehmen nicht nur eine neue Philosophie zu geben, sondern es auch nachhaltig erfolgreicher zu machen.
de Villepin: Uns war es dabei vor allem wichtig, ein stabiles und langfristiges System zu etablieren, von dem jeder einzelne Mitarbeiter – auch ganz persönlich – profitiert. Selbstverständlich hatten wir auch Erwartungen an eine bessere Performance, nur sollte die eben nicht über noch mehr Druck, sondern durch eine höhere Einsatzbereitschaft und eine stärkere Identifikation erzielt werden. Beides wird erreicht, wenn die Mitarbeiter in den Workshops und Projekten erleben, wie Prozesse einfacher werden – also nicht mehr gefordert wird, sondern das Richtige.
Woran machen Sie einen solchen Wandel der Unternehmenskultur konkret fest?
de Villepin: Das fängt schon bei den Meetings an. Lange Diskussion haben wir durch strukturierte Agenden und Spielregeln ersetzt. Mit den positiven Folgen, dass die Kollegen nicht nur pünktlich zum Meeting erscheinen, sondern auch viel aufmerksamer daran teilnehmen.
Schreyer: Zudem werden längst nicht mehr so viele Entscheidungen nach oben delegiert. Die Mitarbeiter wissen viel genauer, was sie entscheiden dürfen, und nutzen diesen Entscheidungsspielraum auch. Eng verknüpft ist damit das Ende der „Schuldkultur“. Wir suchen nicht mehr nach Schuldigen, sondern nach Lösungen. Hierbei haben uns die Reflexionen mit den Coaches sehr geholfen. Denn schließlich mussten wir alle an unserem Verhalten arbeiten – und tun dies auch noch weiterhin.
man überlegt schon zweimal, ob man ein unternehmen verlässt, in dem man wertschätzung erfährt und mit eigener entscheidungskompetenz arbeiten kann.
Gibt es messbare Faktoren für den Lean Erfolg?
Schreyer: Auf jeden Fall. So gibt es in allen Unter-nehmen, in denen Lean Management konsequent gelebt wird, deutlich weniger Krankentage und die Mitarbeiterfluktuation geht zurück. Denn man überlegt schon zweimal, ob man ein Unternehmen verlässt, in dem man Wertschätzung erfährt und mit eigener Entscheidungskompetenz arbeiten kann.
Doch es gibt ja auch immer wieder Mitarbeiter, die gar nicht so gern Entscheidungen treffen.
de Villepin: Richtig. Das betrifft vor allem das mittlere Management, das seine neue Rolle in einem „Lean Unternehmen“ häufig nicht so leicht findet. Daher liegt hier auch künftig ein ganz klarer Fokus unserer Arbeit.
Schreyer: Das ist übrigens kein typisch französisches Phänomen. Auch in Deutschland hatten wir damit zu kämpfen. Ich vergleiche das immer mit einem Vogel-käfig. Man kann zwar die Tür des Käfigs öffnen, aber seine Flügel muss dann schon jeder selbst benutzen. Viele „Middle-Manager“ tun sich schwer damit, ihre Komfortzone zu verlassen und mehr Verantwortung zu übernehmen.
Warum ist es so wichtig für Sie, Lean hier in der Zentrale nicht nur in den indirekten Bereichen (Einkauf, Personal etc.) und auf Mitarbeiterebene einzuführen, sondern auch in der täglichen Arbeit des Konzernvorstands?
Schreyer: Führen durch Vorbild. Sie können nicht glaubhaft Lean in den Konzernabteilungen und Ländergesellschaften einführen, wenn Sie selbst weiter nach ganz anderen Regeln spielen. Hier hilft also nicht die Brechstange, sondern Sie müssen durch Ihr eigenes Handeln überzeugen. So arbeiten wir im Vorstand zum Beispiel bei unserer Strategieimplementierung nach der Systematik des Shopfloor Managements.
de Villepin: Wir machen damit klar, dass Lean kein rein operatives Thema ist, sondern uns hilft, als Unter-nehmen insgesamt zusammenzuwachsen. Sehen Sie, für ein Unternehmen, das mit seinen Bussen und Bahnen jeden Tag Millionen von Menschen befördert, ist Kundenorientierung der wichtigste Erfolgsfaktor. Und unsere operativen Kollegen überall auf der Welt haben als unsere Kunden wiederum ganz konkrete Erwartungen an die Zentrale, die wir sehr ernst nehmen.