Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz trat am 01.01.2023 in Kraft. Matthias Führich, Rechtsanwalt für internationales Wirtschaftsrecht bei der IHK Region Stuttgart, erläutert im Gespräch mit Canan Jungel von der Staufen AG die wichtigsten Eckpunkte, die betroffene Unternehmen jetzt beachten müssen.
Was ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und wen betrifft es?
Matthias Führich: Ganz allgemein gesagt verpflichtet das LkGS in Deutschland ansässige Unternehmen verbindlich dazu, sowohl bei sich als auch bei den wirtschaftlichen Aktivitäten ihrer weltweiten Lieferanten Risiken in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt vorzubeugen, sie zu minimieren bzw. zu beenden. Es gilt für Unternehmen mit Sitz in Deutschland mit „in der Regel“ mindestens 3.000 Mitarbeitenden und für solche mit einer entsprechenden deutschen Zweigniederlassung (§ 1 LkSG). Ab 2024 sinkt der Wert auf 1.000 Mitarbeitende.
Das Gesetz nennt drei Ebenen: „eigener Geschäftsbetrieb“, „unmittelbare Zulieferer“ (Einflussmöglichkeiten über Verträge) und „mittelbare Zulieferer“ (keine Einflussmöglichkeiten, der Lieferant ist Teil der Wertschöpfungs- und Lieferkette). Das bedeutet, auch kleinere Unternehmen sind eventuell als „unmittelbare Zulieferer“ aufgrund eines Vertrags mit den direkt verpflichteten Unternehmen betroffen. (Abhilfe-)Maßnahmen durch die verpflichteten Unternehmen verlangt das Gesetz bei „mittelbaren Zulieferern“, wenn die Unternehmen Kenntnis von Pflichtverletzungen erlangen. Nur bei schweren Verletzungen kann das Unternehmen gezwungen sein, die Geschäftsbeziehung zu beenden.
Viele Unternehmen haben in den letzten Jahrzehnten die Produktion von Waren und Dienstleistungen in kostengünstigere Länder verlagert. Die Kehrseite: In vielen dieser Länder sind die Standards in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt deutlich niedriger als in Deutschland. Trauriges Beispiel: Bei einem Brand 2012 in einer Textilfirma in Karachi (Pakistan), die hauptsächlich für einen deutschen Textildiscounter produzierte, starben wegen fehlender Notausgänge mehr als 250 Menschen.
Welche konkreten Pflichten ergeben sich daraus für die Unternehmen?
Matthias Führich: Folgende Punkte müssen erfüllt werden:
- Ein angemessenes, wirksames Risikomanagement in Bezug auf Menschenrechte und einige umweltschutzrechtliche Pflichten (§ 4 und § 3 Abs. 1 LkSG) und die Durchführung einer Risikoanalyse (§ 5 LkSG)
- Etablierung einer betriebsinternen Zuständigkeit (§ 4 Abs. 3 LkSG)
- Abgabe einer Grundsatzerklärung (§ 6 Abs. 2 LkSG), wie das Unternehmen seinen Pflichten in Bezug auf die Menschenrechte erfüllt (Verfahren, Risiken etc.)
- Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Bereich und bei „unmittelbaren Zulieferern“ (§ 6 Abs. 3 und 4 LkSG) und bei festgestellten Verstößen Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (§ 7 LkSG)
- Einrichtung eines unternehmensinternen Beschwerdeverfahrens (§ 8 und 9 LkSG)
- Fortlaufende interne Dokumentation mit Bericht bezüglich der umgesetzten Maßnahmen (§ 10 LkSG) und ein jährlicher Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten im öffentlich zugänglichen Bereich der Unternehmenshomepage, der spätestens vier Monate nach Geschäftsjahresende elektronisch beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einzureichen ist.
Bei alldem dürfen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben, es gilt das Primat der „Bemühenspflicht“.
Erste Unternehmensschritte
Aufbau von Strukturen (Daten, Prozesse)
Aufbau von fachlichen unternehmenseigenen Spezialist*innen (Fort- und Weiterbildung)
Aufbau eines Risikomanagementsystems (Daten, Strukturen, Prozesse)
Grundsatzerklärung zur Erfüllung der Pflichten hinsichtlich Menschenrechten
Auf EU-Ebene gibt es einen Richtlinienvorschlag zu den Lieferkettensorgfaltspflichten. Was ist hier zu erwarten?
Matthias Führich: Deutschland könnte verpflichtet sein, sein Gesetz nachzubessern. Die EU will den Schwellenwert auf mindestens 500 Mitarbeitende und netto mindestens 150 Mio. Euro Umsatz senken, bei ressourcenintensiven Unternehmen auf 250 Mitarbeitende und netto mindestens 40 Mio. Euro Umsatz. Die Richtlinie soll auch für Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten gelten, die ihre Produkte und Dienstleistungen in der EU anbieten, die Abgrenzung von „unmittelbaren“ und „mittelbaren Zulieferern soll es nicht geben. Beim deutschen Gesetz liegt der Fokus auf Menschenrechten, im Richtlinienentwurf kommen substantiierte Umweltschutzpflichten (Pariser Klimaabkommen) dazu, ebenso eine zivilrechtliche Haftung für die Unternehmen.
Das bedeutet viel Verantwortung für Führungskräfte.
Matthias Führich: Anknüpfungspunkt ist hier die im Richtlinienentwurf enthaltene Haftung der Unternehmen beim Verstoß gegen Sorgfaltspflichten durch das Nichtergreifen von Maßnahmen und eingetretenem Schaden. Daraus kann sich eine Organhaftung ergeben, orientiert an der gesellschaftlichen Geschäftsführerhaftung.
Wie kann Staufen die Unternehmen beim LkSG unterstützen?
Matthias Führich: Essenziell ist die Risikoanalyse gemäß § 5 LkSG. Sie verschafft den Unternehmen einen guten Überblick über die Lieferantenstruktur und menschenrechtliche wie ökonomische Risiken daraus, kann gleichzeitig aber auch zur Optimierung von Kreisläufen, zum Abbau von Klumpenrisiken und zur Krisenvorsorge genutzt werden. Hier können die Staufen-Beraterinnen und -Berater ihr enormes Praxiswissen beim Aufbau eines entsprechenden Systems, bei der Identifizierung und dem Eliminieren entsprechender Risiken einbringen. So wird die Unternehmenslieferkette mithilfe von Staufen „fit für die Zukunft“.
Canan Jungel
Principal
STAUFEN.AG
Canan Jungel
PrincipalSTAUFEN.AG
Canan Jungel ist seit 2014 als Beraterin, Coach und Trainerin im internationalen Projektumfeld bei der Staufen AG im Einsatz und begleitet Lean-Transformationsprojekte in direkten und indirekten Bereichen unterschiedlichster Branchen. Seit 2021 setzt sie als Head of Supply Chain Network Management (SCNM) hauptverantwortlich Supply-Chain-Projekte im nationalen und internationalen Umfeld um.
Zu ihren Referenzen zählen u. a. globale Supply-Chain-Projekte, die ganzheitliche Gestaltung und Implementierung von Bestandssenkungsprogrammen für 1st-Tier-Automotive-Zulieferer, die standortübergreifende Einführung von Shopfloor Management in direkten und indirekten Bereichen, die Optimierung von Produktionssystemen sowie die Implementierung von Logistiksystemen und Steuerungskonzepten. Ihre Expertise als Trainerin stellt Canan Jungel bei der Konzeption und Durchführung von Lean-Experten-Trainings sowie kundenspezifischen Qualifizierungsprogrammen im Rahmen der Staufen Akademie unter Beweis.
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