Komplexe Supply–Chain–Netzwerke waren schon immer anfällig für Störungen. Aber erst die Krisen der vergangenen Jahre haben gezeigt, wie fragil sie wirklich sind. Doch wie werden die Netzwerke resilienter und nachhaltiger? Auf dem Jahreskongress BestPractice Day 2023 teilten Experten aus verschiedenen Branchen im Fachforum „Supply Chain Network Management & Nachhaltigkeit“ ihr Wissen zu diesem Thema mit unseren Gästen.
„Dieses Jahrzehnt ist geprägt von der Instabilität globaler Supply-Chain-Netzwerke“, leitete Canan Jungel, Head of Supply Chain Network Management bei der Staufen AG, in das Thema ein. Umso wichtiger sei es, die Netzwerke durch Digitalisierung resilienter zu machen. Auch die aktuelle Staufen-Studie „Zukunft Industrie 2023“ zeigt, dass knapp drei Viertel der Unternehmen in der Digitalisierung ihrer Prozesse das größte Potenzial sehen, um die eigenen Netzwerke widerstands- und anpassungsfähiger zu machen. Gleichzeitig ist Datentransparenz die Basis für mehr Nachhaltigkeit in den Netzwerken. „Bisher gehen Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit jedoch zu oft noch im Alleingang an“, so Canan Jungel. Nur vier von zehn der mehr als 400 in Deutschland, Österreich und der Schweiz für die Studie befragten Unternehmen setzen bereits auf eine stärkere Vernetzung ihrer Netzwerkpartner untereinander. Und nur ein 21 Prozent tauschen derzeit Umweltdaten mit Kunden und Lieferanten aus.
Vernetzung ermöglicht bessere Entscheidungen
Digitalisierung und Kooperation spielen auch im Supply Chain Network der BMW-Gruppe eine große Rolle. Ein Vertreter des Münchener Automobilherstellers erläuterte, wie in der digitalen Supply Chain des Unternehmens ein digitales Krisenmanagement erfolgreich umgesetzt wird. Standardisierung, Automatisierung, Vernetzung, Analytics, Prediction und Autonomie seien die zentralen Fähigkeiten, die in einer solchen digitalen Supply Chain benötigt würden. BMW ist heute in der Lage, unter Berücksichtigung der politisch-ökonomischen sowie sozial-technologischen Einflussfaktoren Prognosen und Simulationen künftiger Entwicklungen auf der Basis verschiedener Szenarien durchzuführen, um rechtzeitig Entscheidungen treffen und Maßnahmen einleiten zu können. Zum digitalen Krisenmanagement des Automobilherstellers gehört zudem ein Workflow, mit dem die Kontakte auf der Lieferantenseite regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Alle Daten werden dabei – zum Beispiel für präventive Analysen – digital ausgewertet.
Von Ökosystemen für die Supply Chain lernen
Durch Wetter, Insektenbefall und die Jahreszeiten ist die Schwabe-Gruppe als Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln von einer „natürlichen“ Volatilität in der Supply Chain betroffen. Diese Nähe zur Natur veranlasste Dr. Harald Orth, Vice President Supply Chain & Logistics, dazu, in seinem Vortrag herauszuarbeiten, was Unternehmen für ihre Supply Chain von Ökosystemen lernen können:
- Die Kraft der Netzwerke (wie z. B. innerhalb des Ameisen- oder des Bienenvolks): „Menschen können in einem Team viel mehr bewirken, wenn sie zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.“
- Widerstandsfähigkeit: „Ökosysteme, die sich von Störungen wie Dürren, Bränden oder Überschwemmungen erholen können, werden weiter bestehen. Individuen und Unternehmen, die sich von Rückschlägen erholen, sind effektiver.“
- Anpassungsfähigkeit: „Organisationen, die sich schnell genug an eine sich verändernde Umwelt anpassen können, haben eine höhere Überlebens- und eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit.“
- Nachhaltigkeit: „Ökosysteme, die im Gleichgewicht sind und ihre Ressourcen effizient nutzen, können über längere Zeiträume bestehen. Unternehmen, die der Nachhaltigkeit Vorrang einräumen, verfügen mit großer Wahrscheinlichkeit über ein intaktes Umfeld und eine stabile wirtschaftliche Kraft.“
- Diversität: „Ökosysteme mit Vielfalt sind widerstandsfähiger gegen Störungen.“
Reduzierung des CO2-Footprint in der Supply Chain
Abschließend stellte Dr. Jens Ottnad, R+D Head Data & AI bei Trumpf, das Forschungsprojekt de:karb vor, an dem das Unternehmen gemeinsam mit Partnern forscht. Die Stahl- und Blechproduktion verursacht derzeit rund ein Viertel der Industrieemissionen in Deutschland. Ziel des Projekts ist es, den CO2-Fußabdruck in der Blechfertigung über die gesamte Lieferkette transparent zu machen. Die dafür notwendige Effizienz soll durch eine frei zugängliche Onlineplattform geschaffen werden, mit der Unternehmen den CO2-Abdruck ihres Bauteils genau ermitteln können. Auf der Basis der gewonnenen Daten wird sichtbar, welche Maßnahmen in welchem Produktionsschritt die größten CO2-Einspareffekte bringen.
Digitalisierung ist der Schlüssel zu mehr Klimaschutz in der Industrie.
Jens Ottnad,
Projektleiter bei Trumpf
Supply Chain Network Management
Wie sieht das stabile Supply Chain Network von morgen aus? Eine Antwort auf diese und weitere Frage erhalten Sie in unserem Whitepaper.
Mehr erfahrenKI im Supply Chain Network
Dezentrales Wachstum führte bei ABICOR BINZEL zu Problemen im Supply-Chain-Netzwerk: Servicequalität und Marge sanken. Das Unternehmen setzte eine Software ein, um vorhandene Datensilos aufzulösen und den Datenbetrieb neu zu ordnen. Das hilft ihnen auch in der aktuellen Multikrise. Zudem setzt der Hersteller von Schneid- und Schweißbrennern bei der Absatzplanung auf künstliche Intelligenz.
Mehr erfahren