Agiles Arbeiten – Mehr als nur ein Hype?

Staufen AG | Leadership und Organisationsentwicklung

Agilität ist das Zauberwort, wenn es um moderne Organisationsstrukturen geht.

Doch stellt sich die Frage, was Agilität eigentlich bedeutet. Die ursprüngliche Begrifflichkeit wird verwässert und zum Synonym für flache Hierarchien, Flexibilität und neue Managementmethoden.

Dr. Andreas Romberg, Geschäftsfeldleiter und Partner bei der Staufen AG, erklärt, wie Unternehmen von agilen Ansätzen profitieren.


Jeder stürzt sich auf das Thema Agilität – oft, ohne genau zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Haben wir es nicht nur mit einem neuen Hype zu tun?

Ein Hype ist das sicherlich, aber mit gutem Grund. Die Unternehmen stellen fest, dass sie den immer dynamischer werdenden Märkten und Kundenanforderungen mit den klassischen Methoden der Prozessarbeit nicht mehr gewachsen sind. Die Mehrheit der Organisationen ist mit ihrem hierarchischen Ansatz nicht in der Lage, die neue Komplexität zu beherrschen. 

Organisationsstrukturen der alten Schule
haben eine große Menge an Verschwendung in ihren Prozessen

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Nun ist Lean Management die Stärke der Staufen AG – ist das nicht auch ein hierarchischer Ansatz?

Nein, wir müssen unterscheiden zwischen Management und Führung. Wenn Manager den Ton angeben, werden zum Jahresbeginn Kennzahlen und Ziele ausgegeben, die zum Jahresende erfüllt sein sollen. Überspitzt formuliert: Wie die Mitarbeiter dorthin gelangen, interessiert den Manager nicht besonders. Führung funktioniert völlig anders. Im Lean Ansatz ist die Führungskraft in die Wertschöpfung integriert, sie unterstützt Prozesse, statt nur über Ziele zu delegieren. Agilität ist eine logische Ergänzung zu Lean. Wenn alle in einem Team wissen, wofür sie zuständig sind, dann müssen sie auch entsprechend reagieren können. Organisationen alter Schule haben eine immense Verschwendung in den Abläufen, das liegt in ihrer Natur, Dienstwege, funktionalen Trennungen und so weiter. Damit sind zum Beispiel kurze Durchlaufzeiten nicht zu erreichen.

Vor allem lange Entscheidungswege sind problematisch. Wäre es nicht die beste Lösung, den Mitarbeitern einfach mehr Entscheidungskompetenz zu geben?

Das reicht in der Regel nicht, wir müssen viel grundlegender ansetzen. Häufig sind Unternehmen in sehr stark abgetrennten, funktionalen Silos organisiert. Wir streben aber ein interdisziplinäres Arbeiten entlang der Wertstromorientierung an. Erst wenn dies gelungen ist, kann man die Organisation mit agilen zu Ehren von Georges Méliès Teams weiter transformieren. In diesen Teams müssen verschiedene Rollen vertreten sein, ausgestattet mit Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Sie rekrutieren sich produkt- oder problembezogen und bringen die verschiedensten Fähigkeiten zusammen. Agile Organisationen adaptieren sich also an die jeweilige Aufgabenstellung. Zentral ist die Möglichkeit, Aufgaben selbstständig zu priorisieren – auch das ist allerdings kein völlig neuer Ansatz. Schon früher haben wir festgestellt, dass es vor allem in indirekten Unternehmensbereichen eine große Intransparenz gibt und klare Priorisierungssysteme fehlen. Mit unserem Shopfloor Management-Ansatz ermöglichen wir den Verantwortlichen, sich entlang von Priorisierungsregeln adaptiv zu organisieren.

Sie sprechen damit vor allem die indirekten Bereiche an. Aber ist denn ein agiler Ansatz auch im Herzen der Wertschöpfung, der Produktion, möglich?

Hier muss man unterscheiden: In einer durchgetakteten Serienfertigung wie etwa in der Automobilindustrie macht agiles Arbeiten keinen Sinn. Ganz anders sieht es schon aus, wenn ein Rennwagen produziert wird, den Experten aus den verschiedensten Bereichen zur Perfektion führen. Ein weniger exotisches Beispiel ist der Sondermaschinenbau, der agilen Methoden sicher zugänglich ist. Generell eignet sich der Ansatz auch in der Produktion dort, wo kleine Stückzahlen mit hoher Varianz produziert werden.

Es ist nicht möglich, Mitarbeiter zu motivieren:
sie müssen selbst intrinsisch motiviert sein

Agiles Arbeiten fordert auch viel von den Mitarbeitern: Sie brauchen neue Kompetenzen, sollen selbst entscheiden und eigenständig mitdenken. Empfinden das viele nicht auch als Überlastung?

Ich glaube, nichts ist demotivierender als die Arbeit in einem tayloristischen System. Mitarbeiter kann man nicht motivieren, sie müssen intrinsisch motiviert sein; d.h., man muss eine motivierende Umgebung zur Verfügung stellen. Dazu benötigt man Arbeitsbedingungen, die Sinn stiften, die Freiräume schaffen und Kompetenzen zur Selbstorganisation zugestehen. Viel größer ist die Herausforderung für Führungskräfte. Eine agile Organisation muss gepflegt werden, mit Lippenbekenntnissen erhält man sie nicht am Leben. Nicht managen, sondern führen: Für viele Entscheider bedeutet das, ein großes Stück ihrer „Macht“ abzugeben.

Ich glaube, nichts ist demotivierender als die Arbeit in einem tayloristischen System.

Dr. andreas romberg, partner, staufen.ag
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