Lean@HILTI: „Dieser Prozess geht nie zu Ende“

Lean Management

Viele Unternehmen nutzen Lean Management-Methoden, um einzelne Bereich zu verbessern. Doch Lean ist mehr als nur eine Toolbox. Als Unternehmensphilosophie ermöglicht es eine ganzheitliche Transformation, wie das Beispiel der Liechtensteiner Hilti Gruppe zeigt. Dr. Stefan Nöken als Mitglied der Konzernleitung des weltweit führenden Partners für Profis am Bau hat die Reise von Anfang an begleitet.

Zehn Jahre ist es her, dass die Konzernleitung von Hilti sich dazu entschloss, alle Bereiche des Unternehmens nach Lean Management-Prinzipien auszurichten. Der Verschwendung von Zeit und Ressourcen sollte ein Riegel vorgeschoben, Prozesse im Sinne des Kunden sollten noch mehr optimiert werden. Das Ziel von Lean@Hilti: Operational Excellence.

Dr. Stefan Nöken, seit 2007 Mitglied des Hilti Führungsgremiums, hat die Transformation von Beginn an mitgestaltet. Wie stark hat Hilti sich seither verändert? „Massiv“, so seine Einschätzung. „Das ist heute eine ganz andere Firma, als sie es damals war.“ Hilti sei doppelt so groß, viel internationaler – auch in den Strukturen diverser, dynamischer, flexibler und agiler. Das Unternehmen sei noch kundenzentrierter und habe ein breiteres, umfassenderes Angebot.

Veränderung um der Veränderung willen gab es dennoch nicht. Der Hilti Leitspruch „Wir begeistern unsere Kunden und bauen eine bessere Zukunft“ hat nach wie vor Bestand. Ebenso wurden die Strategieelemente von Hilti – differenziertes Produkt- und Serviceangebot, Direktvertrieb, leistungsstarkes, globales Team und operative Exzellenz – beibehalten.

Auch die Kultur des „Care & Perform“ wurde im Konzern nicht infrage gestellt. Stefan Nöken: „Wir fordern uns, gleichzeitig sind wir aber auch füreinander da.“

DR. STEFAN NÖKEN
Member of the Executive Board
Hilti Aktiengesellschaft

„Anständig, respektvoll, wertschätzend und offen miteinander umgehen“

Was sich hingegen verändert hat, ist die Arbeitsweise der Führungskräfte. „Gerade in der mittleren Ebene sind Führungskräfte heute Partner und Coaches. Sie führen durch Fragen, und statt fertige Lösungen vorzugeben, leisten sie eher Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt der Hilti Manager. Die Folge: Bei der Rekrutierung neuer Führungskräfte ist die fachliche Expertise zwar eine notwendige Voraussetzung, wichtiger ist aber, dass es eine Kompatibilität mit der Hilti Kultur gibt.

Auch im Onboarding-Prozess, so Nöken weiter, habe es bereits Fälle gegeben, bei denen man festgestellt hat, dass man doch nicht zueinander passt. Worauf es ankomme, sei das Wertesystem einer Führungskraft. Die klare Ansage: „Es geht darum, dass die Mitarbeiter anständig, respektvoll, wertschätzend und offen miteinander umgehen.“

Durchbruchsverbesserungen als Führungsaufgabe

Von einer Führungskraft wird bei Hilti darüber hinaus erwartet, dass sie das laufende Geschäft kontinuierlich optimiert. Diese Verbesserungen allein reichen aber nicht aus, um die langfristige Entwicklung eines Unternehmens voranzutreiben. Insbesondere obere Führungskräfte haben deshalb die Aufgabe, wirkliche Durchbruchsverbesserungen zu initiieren. „Dazu muss man mit gewissen Paradigmen, Strukturen und Prozessen fundamental brechen“, ist Stefan Nöken überzeugt.

Wenn beispielsweise das Ziel sei, die Durchlaufzeit in der Produktion zu halbieren oder bei massivem Wettbewerb ein Drittel der Kosten für eine Produktlinie einzusparen, würde genügend Druck aufgebaut, um das Team zu aktivieren, neues Denken und Veränderung zu initiieren. Die Umsetzung erfolge dann durch ein cross-funktionales Team. Hilti Executive Nöken: „Es ist unglaublich, wie viel Kreativität und Engagement auf diese Weise entsteht.“

Lean in den Tagesablauf von 30.000 Mitarbeitern einbauen

Zudem hat Hilti Krisen wie die Finanzkrise 2008, den Frankenschock 2015 oder die COVID-19-Pandemie immer auch als Chancen oder Katalysatoren gesehen und genutzt. „Natürlich schüttelt jede Krise eine Firma durch – auch uns. Aber sie erzeugt auch eine zwingende Notwendigkeit, zu handeln“, beschreibt es Nöken. Die Bereitschaft, Dinge zu hinterfragen und zu ändern, sei in solchen Zeiten zudem sehr viel höher. Im Hinblick auf den Transformationsprozess habe die Finanzkrise Hilti flexibler gemacht, der Frankenschock die Internationalisierung beschleunigt und die Pandemie zu mehr Resilienz in der Supply Chain geführt.

Doch wie motiviert man auch abseits von Krisenzeiten 30.000 Mitarbeitende weltweit, kontinuierlich an Verbesserungen zu arbeiten? Hilti bietet eine variable Erfolgsbeteiligung für Mitarbeiter auf allen Ebenen an.

Entscheidend sei aber die emotionale Befriedigung, die jeder daraus ziehe, einen Beitrag zu leisten und erfolgreich zu sein, so Stefan Nöken: „Jeder möchte Teil eines Winning-Teams sein.“ Die Spitze der emotionalen Befriedigung sei der Lean Award für Operational Excellence. In den Werken gebe es den Lean Winner des Monats und des Jahres.

Weltweit kämpfen die Besten der Besten dann um den Global Award, der für kontinuierliche Verbesserungen, aber auch für Innovationen verliehen wird: „Das ist ein unglaublicher Moment voller Emotionalität und Stolz, wenn die Trophäen überreicht werden.“ Wie trainiert Hilti Lean mit der Belegschaft? „Im Kern muss jeder Mitarbeiter verstehen, dass Lean kein Projekt ist. Es hat kein Ende, deshalb geht es darum, Lean zu einer täglichen Routine zu machen und in den Arbeitsablauf einzubauen“, erklärt der Hilti Executive.

„Lean ist ein größerer Transformationsprozess,
der einen ganzheitlichen Ansatz benötigt.
Eine einzelne Maßnahme reicht nicht aus.“

Wir begeistern unsere Kunden und bauen eine bessere Zukunft

Skalierung und Verstetigung seien unerlässlich im Lean Prozess. Um Lean formal zu trainieren, bietet das Unternehmen in der eigenen Akademie spezielle Module und Workshops an, etwa zu Kaizen oder zum Shopfloor Management. Noch wichtiger sei aber das Training im Job, also Lean im täglichen Ablauf mit Kollegen und Vorgesetzten zu erleben und in der eigenen Arbeit selbst anzuwenden. Wie erfolgreich das ist, misst Hilti unter anderem mit einem Lean Assessment, das aufzeigt, wie sich ein Bereich innerhalb der vergangenen zwölf Monate entwickelt hat.

„Ein Transformationsprozess, der einen ganzheitlichen Ansatz benötigt“

Auf die vergangenen zehn Jahre der Lean Transformation zurückblickend, ist Hilti sehr zufrieden mit der finanziellen Performance des Unternehmens, dem Mitarbeiterengagement, der ESG-Verantwortung und der Innovationsleistung. „Aber es hat nicht alles funktioniert und es gibt nach wie vor noch viel Potenzial“, fasst Hilti Manager Nöken zusammen. Hinzu komme die Digitalisierung, sie werde in der Baubranche in den nächsten zehn Jahren
für große Veränderungen sorgen. Hilti müsse das Angebot entsprechend erweitern, die Kundeninteraktion weiter digitalisieren und auch das operative System anpassen.

Was können Unternehmen, die mit Lean starten wollen, von Hilti lernen? „Lean ist ein größerer Transformationsprozess, der einen ganzheitlichen Ansatz benötigt. Eine einzelne Maßnahme reicht nicht aus“, betont Stefan Nöken. „Die Verankerung in der Strategie und der Kultur des Unternehmens ist deshalb elementar. Ohne eine klare Botschaft von oben und eine Perspektive folgen die Mitarbeiter nicht.“

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