Varianten- und Komplexitätsmanagement: Weniger ist mehr 

staufen magazine 2023/2024 | No. 6 | PAMA S.p.A | Lean Management, Operational Excellence

Der italienische Maschinenbauer PAMA hat sich mit maßgeschneiderten Bearbeitungszentren sowie Fräs- und Bohrmaschinen eine international führende Marktposition erarbeitet. Um bisher ungenutzte Effizienzpotenziale zu heben, entschied sich PAMA für ein modernes Varianten- und Komplexitätsmanagement. Das Ergebnis: eine höhere Maschinenvielfalt und -qualität bei gleichzeitig geringeren Kosten. 

Das von PAMA verfolgte Ziel, die Komplexität der eigenen Produkte und Prozesse drastisch zu reduzieren, folgte dem Staufen-Motto, dass in jedem Unternehmen ein noch besseres steckt. Um genau dieses an die Oberfläche zu bringen, entwickelten die auf Varianten- und Komplexitätsmanagement spezialisierten Berater und Beraterinnen der Staufen AG gemeinsam mit dem Unternehmen das PAMA Modular System (PMS), ein Baukastensystem aus maschinenunabhängigen Modulen. Damit ist es nun möglich, vorentwickelte Bauteile und Komponentengruppen über klar definierte Schnittstellen einzusetzen, statt wie bisher die Einzelteile individuell nach Maß zu konstruieren und zu fertigen. 

Durch eine Gliederung der Maschinen in Subsysteme konnten die einzelnen Komponenten so entwickelt werden, dass sie ohne Anpassungen in den unterschiedlichen Modellen des Unternehmens einsetzbar sind. Vereinfacht ausgedrückt gleicht das System einem Lego-Baukasten. Statt also immer wieder neue Bausteine zu entwickeln, wird auf vordefinierte Module zurückgegriffen, die nahezu beliebig kombiniert werden können. 

Dank der Standardisierung können trotz einer drastisch reduzierten Komplexität weiterhin alle Kundenwünsche erfüllt werden. Ein Beispiel dafür ist die Kugelumlaufspindel: In den vergangenen Jahren kamen insgesamt 161 unterschiedliche Kugelgewindegetriebe mit einer Länge von bis zu acht Metern zum Einsatz. Für das Baukastensystem wurden die verschiedenen Längen, Durchmesser, Steigungen und Lager standardisiert.

Beispielsweise werden in die neue Maschinengeneration jetzt nur noch Spindeln mit einem Durchmesser von 80 oder 100 Millimetern eingesetzt. Außerdem gibt es lediglich noch einen einheitlichen Lagerblock. Das vereinfachte die Entwicklungsarbeit deutlich und die positiven Effekte verbreiten sich inzwischen über das gesamte Unternehmen: vom Einkauf über die Lagerhaltung und die Produktion bis zum Service. 

Michele Dal Ri

Direttore Sviluppo Prodotti

PAMA S.p.A.

Modularisierung deckte erhebliche Effizienzpotenziale auf 

Das Unternehmen hat nach Ansicht von Michele Dal Ri, Direktor für Produktentwicklung bei PAMA, durch die konsequente Modularisierung erhebliche Effizienzpotenziale aufgedeckt: „Wir brauchten nicht mehr die Vielzahl unterschiedlicher Teile, um die verschiedenen Kundenwünsche zu erfüllen. Das bisherige System der umfassenden Individualisierung war historisch gewachsen und aus einzelnen technischen Überlegungen heraus entstanden. Anfangs war ich sogar stolz darauf, diese unglaublich komplexe Wertschöpfungskette im Griff zu haben. Aber im Laufe der Zeit haben wir gemerkt: Wir müssen umdenken. Mit Standardteilen können wir heute günstiger einkaufen, Teile vorrätig halten und die Lieferzeit enorm verkürzen – ohne dass der Kunde Abstriche bei Qualität oder Auswahl machen muss.“ 

Bei der Umstellung auf Modularität in der Montage wurde deutlich, dass es nicht ausreicht, nur den technischen Ansatz zu ändern. Um die Vorteile einer Standardisierung voll auszuschöpfen, müssen alle Unternehmensbereiche integriert werden. Dieser ganzheitliche Ansatz führte in Phase B des Projekts auch zu einem Umdenken bei den Mitarbeitenden: Probleme wurden nicht mehr als singuläre Themen behandelt, sondern als eine Kette von zusammenhängenden Subsystemen betrachtet und gelöst. „Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut mit hoher Komplexität umgehen können, sind sie nicht automatisch auch gut darin, Komplexität abzubauen. Wir mussten also die Prozesse und Arbeitsabläufe in Richtung Eigenverantwortung und Effizienz verändern. Schlussendlich erzielten wir mit der Modularität nicht nur einen schnellen ROI in der Montage, sondern auch optimierte Prozesse in der gesamten Wertschöpfungskette“, sagt PAMA-Entwicklungschef Dal Ri. 


Per Konfigurator zur Wunschmaschine 

Mit der Modulbauweise ist nun auch der Einsatz eines Konfigurators möglich geworden, was vor allem die Arbeit des Vertriebs enorm vereinfacht. Während früher jede Verkaufsberatung einen Rattenschwanz an Recherche- und Kalkulationsaufwand zwischen Vertrieb und Engineering nach sich zog, können heute Preise schnell und verbindlich kalkuliert werden. Zudem sind die Kosten in der Produktion deutlich gesunken, was sogar zum Rückzug einiger Wettbewerber aus bestimmten Geschäftsfeldern führte. 

Der Veränderungsprozess wurde bisher in fast 60 verschiedenen Projekten vorangetrieben, die Vorteile sind in allen Bereichen spürbar: 

  • Vertrieb: Die aus der Modulbauweise entstandene neue Maschine SPEESDRAM PMS hat sich innerhalb kürzester Zeit zum meistverkauften Modell von PAMA entwickelt. 
  • Konstruktion: Die Anzahl der neu entwickelten Teile konnte um 80 Prozent reduziert werden. 
  • Produktion: Die Taktzeiten in der Montage wurden um bis zu 50 Prozent reduziert. 
  • Konfiguration: Die Möglichkeiten der frei zusammenstellbaren Module sind in vielen Bereichen noch größer als bisher, sodass die Kunden ihre Maschinen noch individueller auswählen und erweitern können. 

Dr. Klaus Alders, der das Projekt von Anfang an für Staufen verantwortet hat, blickt zurück: „Das Denken in Modulen und Standards wurde im Projektverlauf von der Maschinenmontage konsequent und ganz bewusst auf die anderen Unternehmensbereiche ausgeweitet. So wurde aus dem Ausgangsziel einer Modularisierung der Produkte nach und nach die Modularisierung von PAMA.“ 

Daten und Nachhaltigkeit – PAMA ist für die Zukunft gerüstet 

Die Reaktionen der Kunden auf die neue Modulbauweise sind positiv: „Viele waren überrascht und beeindruckt zugleich. Sie verstehen den Ansatz und erkennen die Vorteile, vor allem bei Service, Qualität und Wartung“, sagt Michele Dal Ri. So lassen sich mit den neuen modularen Komponenten beispielsweise Maschinen leichter für bestimmte Aufgaben nachrüsten, auch umfangreichere ESG-Reports sind nun möglich. PAMA-Manager Dal Ri ist optimistisch für die Zukunft: „Data Driven Production und Nachhaltigkeit werden immer wichtiger. Mit der Modularität können wir beide Bereiche abdecken. Bei Maschinen, die fast ausschließlich aus Individualteilen bestehen, ist eine lückenlose Rückverfolgbarkeit viel zu aufwendig, fast unmöglich. Da wir Standardteile verwenden, können wir alle wichtigen Daten sammeln und abrufen. Außerdem können wir jetzt in eine Kreislaufwirtschaft einsteigen, denn nach dem Lebenszyklus einer Maschine können bestimmte Teile in anderen Maschinen wiederverwendet werden, bei anderen Komponenten kennen wir die Möglichkeiten des Recyclings oder der Wiederaufbereitung genau.“ 

Das Unternehmen

Der norditalienische Werkzeugmaschinenhersteller PAMA blickt auf eine fast 100-jährige Unternehmensgeschichte zurück. Das Unternehmen konstruiert alle Hauptkomponenten seiner Maschinen selbst und produziert in zwei Werken (Rovereto und Brescia). Mehr als 80 Prozent der Produktion werden exportiert, vor allem nach China, Indien, Deutschland und in die USA. Die Maschinen werden in Branchen wie Energieerzeugung, Schwermaschinenbau, Werkzeugmaschinen, Schienenverkehr, Luft- und Raumfahrt, Schiffbau und Großdieselmotoren eingesetzt. 

JETZT DAS Magazin ALS DIGITALE VERSION ODER PRINTAUSGABE ANFORDERN

    Die mit * markierten Felder sind Pflichtfelder.

    Ich möchte das Staufen Magazine als Printexemplar bestellen

    Ihre Adresse

    Ich möchte das Staufen Magazine 1x im Jahr kostenfrei zugesendet bekommen.

    Mit Klick auf "Magazine jetzt anfordern" willige ich ein, dass die Staufen AG meine Daten entsprechend der ­Datenschutzerklärung verwenden darf, um mir über diese konkrete Anfrage hinausgehende Informationen zu Produkten, Publikationen und Weiterbildungsangeboten per E-Mail, Direktnachricht, Newsletter oder Telefon zur Verfügung zu stellen. Der Verwendung meiner Daten für Werbezwecke kann ich jederzeit unter datenschutz@staufen.ag widersprechen oder eine erteilte Einwilligung widerrufen.

    das könnte Sie ebenfalls interessieren

    Magazine
    August 14, 2023

    Struktur folgt Prozessen 

    Das Prüf- und Zertifizierungsinstitut (PZI) des VDE ist ein Premium-Anbieter von Prüfzertifikaten für Produkte und Komponenten bezüglich der Erfüllung von Sicherheitsnormen. Es agiert im Spannungsfeld zwischen regulatorischen Anforderungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Der komplizierte Prüfprozess des PZI von der Anfrage bis zum Zertifikat führte bislang zu suboptimalen Ergebnissen. In Zusammenarbeit mit Staufen hat das PZI seine Prozesse und Strukturen auf digitaler Basis neu aufgesetzt und messbar verbessert.

    Mehr erfahren
    Magazine
    August 14, 2023

    Produktentwicklung bei Arburg 

    Beim Maschinenbauer Arburg stammen 80 % der eingekauften Materialien aus einem Radius von weniger als 100 km stammen und die Fertigungstiefe beträgt mehr als 60 %. Das entspricht nicht gerade einem globalen Outsourcing-Zeitgeist. Erfolgreich ist das Unternehmen aber dennoch – oder vielleicht gerade deshalb.

    Mehr erfahren
    Staufen Back To Top Button