Interview

„Bis 2030 wollen wir die Emissionen in Scope 1 und 2 halbieren“ 

Interview
April 11, 2023 | Nachhaltigkeit

Um Stahl und Aluminium umzuformen, braucht der Automobilzulieferer Hirschvogel viel Energie. Warum diese aus immer mehr regenerativen Energiequellen kommt und dass der Wandel zum „grünen“ Unternehmen auch bei den Banken gut ankommt, erläutert Dr.-Ing. Christian Hinsel, Global Head of Sustainability Management and Production System bei Hirschvogel, im Interview. 

Die Hirschvogel Group mit Stammsitz im bayerischen Denklingen ist einer der größten weltweit operierenden Automobilzulieferer auf dem Gebiet der Massivumformung von Stahl und Aluminium sowie der anschließenden Bearbeitung. Zu den Kunden zählen alle namhaften Automobilhersteller und deren Zulieferer weltweit. Mit rund 6.000 Mitarbeitenden an Standorten in Deutschland, Polen, China, Indien, Mexiko und den USA erzielte Hirschvogel zuletzt einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro. 

Ein Expertenbeitrag zur Studie 2023 “Zukunft Industrie”

Im INterview mit Dr.-Ing. Christian Hinsel, Hirschvogel Holding GmbH

Mehr als drei Viertel der für die aktuelle Staufen-Studie befragten Unternehmen sehen bei sich noch großes ökologisches Potenzial. Wie grün ist Hirschvogel denn schon? 

Christian Hinsel: Hirschvogel beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit ökologischen und sozialen Themen. An allen Standorten erfüllen wir die entsprechenden ISO-Normen für Arbeitsschutz, Gesundheit, Umwelt und Energiemanagement. Dennoch haben auch wir noch ein Stück zu gehen, bis wir klimaneutral sind. 

Wie ist das Thema Nachhaltigkeit organisatorisch bei Hirschvogel aufgehängt? 

Christian Hinsel: Seit April 2022 gibt es ein eigenes Vorstandsressort Corporate ESG. Das hat dem gesamten Thema noch mal einen ordentlichen Schub gegeben. Wir haben Nachhaltigkeit nun in unserer Strategie verankert und arbeiten intensiv an der Umsetzung. 

Dr.-Ing. Christian Hinsel

Vice President und Global Head of Sustainability Management (ESG) and Production System

Hirschvogel Group

Welche Ziele hat sich Hirschvogel bei der Dekarbonisierung der Produktionsprozesse gesetzt? 

Christian Hinsel: Gemeinsam mit den oberen Führungskräften haben wir in diesem Jahr erstmals Durchbruchsziele zur Dekarbonisierung vereinbart. Mit Unterstützung des globalen Lean-Teams unseres Produktionssystems rollen alle Standorte die Dekarbonisierung derzeit mithilfe der Methode Hoshin Kanri aus. Das Ziel: Bis 2030 wollen wir bei Hirschvogel die Emissionen in Scope 1 und 2 halbieren. 

Haben Sie ein Beispiel für Maßnahmen zur Emissionsreduzierung? 

Christian Hinsel: Das größte Potenzial bei den internen Emissionen sehen wir momentan bei den Wärmeprozessen, für die noch immer viel Erdgas benötigt wird. Ein erstes wichtiges Signal war hier der Kauf einer Wärmebehandlungsanlage mit elektrischer Beheizung. 


Als Automobilzulieferer wissen wir, dass Dekarbonisierung aktuell das Top-Thema ist, und wollen dafür sorgen, dass wir zusammen mit unseren Kunden und unseren Geschäftspartnern in der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltig werden.

Christian Hinsel
Vice President und Global Head of Sustainability Management (ESG) and Production System, Hirschvogel Holding GmbH 

Also Strom statt Erdgas: Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang erneuerbare Energien? 

Christian Hinsel: Bisher hat Hirschvogel alle Energieträger, also (grünen) Strom und Gas, am Markt bezogen. Jetzt setzen wir auf einen Energiemix, in den auch eigene und lokale regenerative Energiequellen einfließen. Beispielsweise ist ein 5,5 Hektar großer Solarpark rund um unseren Firmenparkplatz in der Beschaffungsphase und Hallendächer werden mit Photovoltaikmodulen ausgestattet. Schritt für Schritt setzen wir solche Maßnahmen auch an allen anderen Standorten um, zum Beispiel in Indien, China und Mexiko. Neben der Photovoltaik sind wir in Verhandlungen mit vielversprechenden Windkraftprojekten.  

Wirkt sich Ihr Engagement in Sachen Nachhaltigkeit auch auf das Thema Finanzierung aus? 

Christian Hinsel: Ja, wir haben gerade erfolgreich einen Bankkredit verhandelt, der in den Zinsmechanismen ESG-Kennzahlen berücksichtigt. Wenn wir bestimmte Umwelt- und Sozialkennzahlen in den nächsten Jahren deutlich verbessern, fließt das in die Kreditmarge ein. 

Wie die Staufen-Studie zeigt, ist bereits für rund jedes zweite Automotive-Unternehmen die Nachhaltigkeitsbewertung ein Kriterium bei der Auswahl von Lieferanten. Wie überzeugt Hirschvogel seine Kunden davon, sich auf den Weg zum „grünen“ Zulieferer zu machen? 

Christian Hinsel: Auch unsere Kunden fragen immer häufiger nach unserem CO2-Footprint. Wir sind in der Lage, ihn nachzuweisen, und reporten ihn auf unterschiedlichen Plattformen. Als Automobilzulieferer wissen wir, dass Dekarbonisierung aktuell das Top-Thema ist, und wollen dafür sorgen, dass wir zusammen mit unseren Kunden und unseren Geschäftspartnern in der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltig werden. 

Mehr zum Thema Nachhaltigkeit

staufen-gogreen-whitepaper-web-grafiken
Whitepaper

Go Green – Die Chance für langfristige Wettbewerbsfähigkeit

Hitzerekorde, Waldbrände, ausgetrocknete Flüsse und Seen – der durch die Emission von Treibhausgasen (THG) hervorgerufene Klimawandel ist nicht mehr wegzudiskutieren. In Deutschland ist die Industrie für rund ein Fünftel der THG-Emissionen verantwortlich. 

Mehr erfahren
Studie Zukunft Industrie
Study

Studie: Zukunft Industrie

Die Staufen-Studie „Zukunft Industrie“ zeigt aber, dass die Vorstände und Geschäftsführungen in der Industrie ihren strategischen Kompass klar ausgerichtet haben. Grundlage für ein nachhaltiges, wandlungs- und widerstandsfähiges Unternehmen sind und bleiben die operative und die digitale Exzellenz. So aufgestellt, wird dann aus einer Multi-Herausforderung für die Unternehmen eine Multi-Chance.

Mehr erfahren
Staufen Back To Top Button