Interview

„Ein gutes Risikomanagement ermöglicht den Mitarbeitenden selbstständigere Entscheidungen.“ 

Interview
April 11, 2023 | Supply Chain Network Management

Der Züricher Drohnen-Spezialist Wingtra beindruckt mit enormen Wachstumsraten. Um dieses Tempo aufrechterhalten zu können, ist ein reibungslos funktionierendes Supply Chain Network essenziell. COO Marco Schicker erläutert im Interview, wie Wingtra mit Kunden und Lieferanten interagiert und warum ein Risikomanagement nicht einschränkt, sondern Freiräume schafft. 

Wingtra ist ein weltweit führender Anbieter von kommerziellen Drohnen, speziell für den Markt der Luftbildvermessung und Überwachung. Das Unternehmen wurde 2017 gegründet. Inzwischen brachte Wingtra die zweite Generation seiner Drohne auf den Markt. 

Ein Expertenbeitrag zur Studie 2023 “Zukunft Industrie”

Im Interview mit Marco SChicker, Wingtra AG

Herr Schicker, mehr als zwei Drittel der für die vorliegende Studie befragten Unternehmen wittern in ihrem Supply Chain Network noch erhebliches Effizienzpotenzial. Wie kann es gehoben werden? 

Marco Schicker: Kurz gesagt müssen sie dafür die Verzahnung ihrer Prozesse mit den Lieferanten vorantreiben und lernen, ihre Kunden besser zu verstehen.  

Wie treiben Sie die Verzahnung mit Ihren Lieferanten bei Wingtra voran? 

Marco Schicker: Zentral ist die Erweiterung der Wertstromanalyse über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus. Beim Materialfluss geht es dabei um eine Balance zwischen Fluss und Versorgungssicherheit. Aktuell müssen solche Erwägungen zum Beispiel bei Computerchips getroffen werden. Beim Informationsfluss ist es wichtig, dass alle Beteiligten im Supply-Chain-Netzwerk stets von den gleichen Annahmen ausgehen. Um beim Beispiel Chips zu bleiben: Die Vorlaufzeiten für Bestellungen liegen hier bei weit über einem Jahr. Im Sales & Operations Planning müssen wir deshalb von genau dieser Annahme ausgehen und unsere Schlüssellieferanten ganz eng einbinden.

Marco Schicker

COO

Wingtra AG

Und wie lernt man, den Kunden besser zu verstehen? 

Marco Schicker: Indem das Unternehmen herausfindet, was diesem wirklich wichtig ist. Da reicht es nicht, nur das Produkt anzuschauen, sondern es müssen auch der Service sowie Abwicklungsprozesse einbezogen werden.

Je nachdem, wie wichtig dem Kunden Themen wie Wiederbeschaffungszeiten, Transportservices, Preisstruktur und Packaging sind, kann Wingtra seinen Wertstrom darauf ausrichten und optimieren. 

Als COO verantworten Sie unter anderem den Einkauf bei Wingtra. Wo sehen Sie den Bereich derzeit innerhalb Ihrer Organisation positioniert? 

Marco Schicker: Der Einkauf ist in unserem Unternehmen eine zentrale Anlaufstelle, sowohl für den operativen Bereich als auch für die Entwicklung. Bei der ersten Generation unserer Drohne haben wir gelernt, dass die Weichen dafür, dass im späteren Produktlebenszyklus noch Effizienzpotenziale gehoben werden können, sehr früh im Prozess gestellt werden. Deshalb ist unser Einkauf von Anfang an in die Produktentwicklung integriert. 


Marco Schicker

COO

Wingtra AG

"Beim Informationsfluss ist es wichtig, dass alle Beteiligten im Supply-Chain-Netzwerk stets von den gleichen Annahmen ausgehen."

Welche Rolle kommt Ihrem Einkauf noch zu? 

Marco Schicker: Der Einkauf hat auch die Aufgabe, uns im operativen Bereich weiterzuentwickeln. Das geschieht zum Beispiel durch die Standardisierung der Verträge und klare Wiederbeschaffungsregeln. Der Einkauf übernimmt aber auch die Beziehungspflege zu den Lieferanten. Wir schicken die Einkäufer zu den Schlüssellieferanten, um deren Prozesse mit unseren besser zu verzahnen. 


Wie wichtig ist für die Verzahnung des Supply-Chain-Netzwerks ein elektronischer Datenaustausch? 

Marco Schicker: Durch einen elektronischen Datenaustausch können Prozesse automatisiert, beschleunigt und standardisiert werden. Das macht die Arbeit effizienter, weil der Datenfluss verbessert wird. Dennoch ist er kein Allheilmittel. Wenn die Daten falsch sind oder die Supply Chain unterbrochen ist, hilft uns auch der elektronische Datenaustausch nicht: Die Lieferanten können uns in diesem Fall nicht mit Waren versorgen, selbst wenn wir ihnen automatisierte Bestellungen schicken. 

38 Prozent der von uns befragten Unternehmen haben eine eigene Datenstrategie für ihr Supply-Chain-Netzwerk, 43 Prozent nutzen eine Plattform, um sich mit Partnern auszutauschen. Gehört Wingtra auch dazu? 

Marco Schicker: Wir haben keine separate Plattform für unsere Supplyer. Wir nutzen unser ERP, um Bestellungen auszulösen und Rahmenbedingungen zu definieren. Derzeit sind wir in der Standardisierungsphase. Unsere Strategie im Lieferantennetzwerk ist eng mit unseren internen Prozessen verbunden. Um diese weiterzuentwickeln, treiben wir das Thema Enterprise-Architektur konsequent voran. 

Politische, technologische, ökologische und soziale Faktoren werden auch künftig auf die Supply Chain Networks einwirken. Wie wichtig ist vor diesem Hintergrund die Implementierung eines Risikomanagements? 

Marco Schicker: Ein Risikomanagement ist für mich unabdingbar. Dabei geht es nicht darum, jedes mögliche Risiko abzuwenden. Das Unternehmen muss vielmehr den Aufwand in Bezug zu den Risiken stellen.

Es ist essenziell, sich bewusst zu machen, welche Risiken für ein Unternehmen am kritischsten sind. Dann kann man entscheiden, ob und mit welchen Maßnahmen auf einzelne Risikofaktoren reagiert wird. Hinzu kommt: Ein gutes Risikomanagement schafft die notwendige Transparenz, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden können. Das hilft nicht nur den Führungskräften, sondern auch den Mitarbeitenden. Wenn sie ein besseres Verständnis für die wichtigsten Unternehmensrisiken haben, können sie im Alltag viel selbstständiger Entscheidungen treffen. 

Wie gehen unternehmen mit Daten im Supply-Chain-netzwerk um?

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