
«Allein mit Bauernhof-Romantik wird das nix»
Veganz-Gründer Jan Bredack produziert mit seinem Unternehmen klimafreundliche Lebensmittel. Im Interview erklärt der ehemalige Daimler-Manager, wie wichtig Transparenz für eine bessere Produktion ist und warum Kunden Fragen stellen müssen.
Herr Bredack, noch während ihrer Zeit als DaimlerManager haben Sie in Berlin Ihren ersten veganen Supermarkt eröffnet. Was aus Ihrer Zeit in der Automobilbranche war für Sie beim Aufbau von Veganz besonders hilfreich?
Sicherlich der Umgang mit großen Zahlen und die Verantwortung für komplexe Firmenstrukturen. Zudem musste ich für meine Budgets beim Vorstand kämpfen. Das hat mir enorm bei der Ansprache von Banken und Investoren geholfen, um das Ganze auch finanzierbar zumachen.
Veganz ist als Supermarkt gestartet und hat sich mittlerweile als Veganz Group AG zum Markenartikler gewandelt. Was hat dieser Strategiewechsel für Ihr Unternehmen bedeutet?
Je mehr wir in diese Richtung gegangen sind,
umso mehr konnte ich Anleihen aus meinem
vorherigen Leben nehmen. Ich war bei Daimler Nutzfahrzeuge für den gesamten Vertrieb verantwortlich. Und egal ob Ersatzteile oder
Lebensmittel: Am Ende geht es um Marke, Preis und Qualität. Als Markenartikler müssen Sie dem Retail-Partner Argumente an die
Hand geben, warum ihre Produkte begehrenswert sind, und warum
sie ins Regal gehören.
Und warum gehört Veganz in jedes Supermarkt-Regal?
Wir haben Veganz als Marke für Klima- und Umweltschutz positioniert. Wenn ein Händler heute mit klimafreundlichen Produkten aufwarten will, muss er unsere Produkte im Regal stehen haben. Er weiß, dass er nur so auch ein Stück vom Kuchen abbekommt.
Lässt Veganz herstellen oder produzieren Sie auch selbst?
Das ist eine weitere Transformationsstufe. Als Vollsortimenter
können und wollen wir aber nicht alles selbst produzieren. Wir
haben uns deshalb Segmente rausgegriffen, in denen wir erstens
eine hohe Kompetenz haben, zweitens großes Potenzial sehen und
bei denen uns drittens Rezeptur und Produktion schützenswert
erscheinen. Wir produzieren aktuell noch in kleinerem Umfang pflanzliche
Camemberts und andere Weichkäse nach alter Tradition. Aber wir
entwickeln auch Fisch-Alternativen, etwa einen Lachs auf Algenbasis. Außerdem stellen wir noch Fleischersatz auf Trockenbasis her.
Für die Produktion entsteht in Berlin-Schönefeld eine 4.500 Quadratmeter große Produktionshalle, die größte ihrer Art in Europa.
Sie haben schon den Klimaschutz angesprochen:Woran machen Sie die Klimaverträglichkeit Ihrer Produkte fest?
Bei Veganz messen wir die gesamte Wertschöpfungskette vom
Anbau über den Transport, bis das Produkt im Regal liegt. Wir
berechnen CO2, Tierwohl, Transport und Wasserverbrauch. Den
Hauptanteil beim Ressourcenverbrauch macht der Anbau aus, deshalb sollten hier nachhaltige, regenerative Anbauformen gewählt
werden.
Wie machen Sie das für den Kunden transparent?
Unser Nachhaltigkeits-Score ist gemeinsam mit dem Schweizer
Eaternity-Institut entstanden. Veganz vergleicht jedes seiner
Produkte mit 110.000 anderen Produkten in einer Datenbank.
Den Score bringen wir auf jede Verpackung und machen ihn so
für den Kunden am Regal sofort sichtbar. Inzwischen nutzen auch
Unternehmen wie Rewe oder Hochland diesen Score.

Ist Transparenz also der Hebel, um den Shift für eine bessere Lebensmittelproduktion hinzubekommen?
Auf jeden Fall. Lassen Sie mich es wieder anhand der Automobilbranche verdeutlichen: Seitdem Autos hinsichtlich ihrer CO2-Bilanz gekennzeichnet werden, ist diese Zahl zum Maßstab für die Herstellung neuer Modelle geworden. Genau das Gleiche möchten wir mit Lebensmitteln erreichen. Mit Eaternity haben wir es geschafft, Nachhaltigkeit auf einen wissenschaftlich nachvollziehbaren, gemeinsamen Nenner zu bringen und das Ganze einfach zu kommunizieren: Drei Sterne im Nachhaltigkeitsscore bedeuten sehr gut fürs Klima, zwei Sterne sind auch gut und ein Stern heißt schlechter als der Durchschnitt.
120 vegane Produkte – 18.000 Verkaufsstellen in 28 Ländern – 105 Mitarbeiter
Wie realistisch ist es, dass Nachhaltigkeit künftig auchbei konventionellen Produkten eine Rolle spielt?
Im Lebensmittelbereich sind die Wertschöpfungsketten ausge-
reizt, und es gibt einen massiven Wettbewerb zwischen den Han-delspartnern. Hier ist es kaum möglich, Nachhaltigkeitsgedanken einfließen zu lassen, da es einfach zu teuer wäre. Das Ganze
muss also von der Basis, sprich den Konsumenten, ausgehen.

Wie könnte das aussehen? Welche Hebel müsstenumgelegt werden?
Wenn die Wertschöpfungsketten transparent sind, werden Fra-
gen gestellt und es wird verglichen. Dann kommt die Lebensmit-
telindustrie unter Druck und muss etwas tun. Wenn das Nachfra-
geverhalten sich an Klima- und Umweltschutz orientiert, dann ist der Weg nicht mehr weit zu einer gesetzlichen Regelung. Welcher Nachhaltigkeitsscore genutzt wird, spielt dabei eine unterge-
ordnete Rolle. Hauptsache es gibt eine Richtlinie, an der sich die Firmen beim Anbau orientieren müssen. Denn 24 Prozent unserer gesamten Treibhausemissionen sind mit der Lebens-
mittelproduktion verbunden. Deshalb ist ein Paradigmenwechsel im Verbraucherverhalten notwendig sowie ein Umdenken hin zur
Kreislauf- und regenerativen Wirtschaft. Pflanzliche Lebensmittel
sind die einzige Möglichkeit, um alle Menschen auch in 20 Jahren
noch satt zu machen.
Das bedeutet dann aber auch, dass man sich von somancher Vorstellung bei Bio und vegan verabschiedenmuss, oder?
Ich war einer der Pioniere, die den notwendigen Wandel aus
einer Business-Sicht betrachtet haben. Aber wenn sie etwas
anders machen als gewohnt, sind sie nicht immer der Freund von
allen. Manche Bioketten sehen in mir ihren Feind. Aber allein mit
Bauernhof-Romantik wird das nix.

100 % pflanzliche Produkte seit 2015

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